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Morbide, brutal, schwarzhumorig. Bei Arthur (Jan Josef Liefers) und seiner Frau Martha (Martina Gedeck) geben sich die Probleme die Hand.

© TNT/goodfriends/Hendrik Heiden

Neue Serie "Arthurs Gesetz": „Fargo“ aus der deutschen Provinz

Hauptsache nicht wie im „Tatort“: Jan Josef Liefers und Martina Gedeck in der Serie „Arthurs Gesetz“.

Ein Mann sägt sich eine Hand ab, eine Leiche stürzt vom Dach in ein Bauschaumlager, ein Kronleuchter wird zur Todesfalle… Es sind nicht nur diese skurrilen Todesarten, die die sechsteilige Serie „Arthurs Gesetz“ zu etwas ganz Besonderem machen. Die Geschichte eines Mannes, der an seinem 50. Geburtstag den Ausbruch aus seinem öden Leben wagt und damit in dem fiktiven Städtchen Klein Biddenbach eine unglaubliche Verkettung von Schicksalsschlägen in Gang setzt, gibt den beiden Hauptdarstellern Jan Josef Liefers und Martina Gedeck Raum, schauspielerische Facetten zu zeigen, die man bislang so noch nicht von ihnen kannte.

Zu sehen ist das Miniserial zunächst nur für Telekom-Entertain-Kunden und ab Mitte Dezember auch auf TNT Comedy (Sky). Es markiert so etwas wie den Aufbruch in eine neue deutsche Fernsehzukunft – wohl auch weil der 32-jährige Berliner Autor Benjamin Gutsche unter Idealbedingungen das Drehbuch verfassen konnte. Eigentlich hatte ihn die junge Produktionsfirma Goodfriends gebeten, in fünfminütigen Kurzfilmchen urbane Legenden abzubilden. „Da bin ich auf die Geschichte gestoßen, wie sich ein Mann für einen Versicherungsbetrug eine Hand abgesägt hat“, erzählt Gutsche. Daraus wuchs in seinem Kopf eine ganze Serie, von der die Produzenten so begeistert waren, dass sie in den Piloten investierten.

Am Stoff berauscht

„In der Schule hätte es wahrscheinlich geheißen: Thema verfehlt“, vermutet Gutsche. Hier aber konnte sich auch TNT-Redaktionsleiterin Anke Greifeneder an dem Stoff berauschen. Gutsche genoss die Freiheit: „Da ich ohne Schere im Kopf schreiben konnte, wollte ich Bilder finden, die morbid und brutal sind und trotzdem schwarzhumorig. Ich wusste, für öffentlich-rechtliche oder auch private Sender hätte ich das so nie schreiben können. Hier durften wir übers Ziel hinausschießen.“ Selbst der Turner-Zentrale in Amerika gefiel das Projekt so gut, dass man Geld zur Finanzierung bereitstellte – keinesfalls zu viel.

Jan Josef Liefers erinnert sich an 52 gemeinsame Drehtage mit Martina Gedeck für sechs mal 45 Minuten. „Das war eng, das ist ein Ritt“, erinnert er sich und daran, dass es beim Dreh in Marktredwitz und Umgebung saukalt war. Dennoch sei der Entschluss, die Rolle des mit einem künstlichen rechten Handgelenks durch die Serie geisternden Arthur ein „No Brainer“ war. „Als ich zusagte, gab es nur ein Buch. Das zweite war auf einem Zettel angerissen.“ Trotzdem bemerkte Liefers den Ehrgeiz dahinter. „Das hier sind besondere Stoffe, wirklich anders erzählt, wie man sie sich bei ARD und ZDF im Moment nicht vorstellen kann“, sagt der derzeit erfolgreichste „Tatort“-Schauspieler, der sich hier ausdrücklich bemüht, nicht so zu agieren wie im ARD-Flaggschiff.

Liefers macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für die neuen Konkurrenten auf dem Unterhaltungsmarkt: „Internet-Leute wie Netflix und Amazon haben das klassische Fernsehen erst mal rechts überholt – auf der Standspur sozusagen.“ Aus seiner Sicht hat das nur Vorteile: „Wenn etwas in Bewegung gesetzt wird und der Markt mehr Player bekommt, wird die Notwendigkeit größer, sich von anderen zu unterscheiden“, findet der 54jährige. Es sei wichtig, „Durchkonfektioniertes zu verlassen, weil man weiß, dass man damit keine Chance hat. Dieser klassische Mainstream funktioniert nicht mehr.“ Die naheliegenden Bezüge zu „Fargo“ nimmt Liefers dankbar auf: „Ich liebe es, sich an so etwas heranzuwagen. Klar liegt mit den Coen-Brüdern die Latte sehr hoch. Aber wenn man etwas nicht nachmacht, sondern seine Version davon erfindet und dabei in die deutsche Provinz geht und nicht so tut, als sei man in Las Vegas oder Ohio, sondern unseren lokalen Spirit nimmt – dann hast du eine Chance.“ Die, ganz nebenbei, Liefers selbst mit seinen selbst finanzierten Kinofilmen „Bis zum Ellenbogen“ und „Desaster“ versagt blieb.

Im Doppelpack zum TV-Ereignis

Liefers allein hätte vermutlich nicht ausgereicht, um „Arthurs Gesetz“ zu dem TV-Ereignis zu machen, das es nun geworden ist. Martina Gedeck in der Doppel-Rolle seiner dominant-mafiösen Gattin und deren zunächst zauberhaft verhuschten Polizeischwester Muriel veredelt „Arthurs Gesetz“ auf so noch nie gesehene Art und Weise. „Nach einem gemeinsamen Casting war sofort klar, dass es diese Konstellation wird“, verrät Liefers und war überrascht, „dass Martina so ein komödiantisches Talent an sich selbst aufdeckt“.

Gedeck steht zu ihrer Begeisterung für das Projekt. Ihre Teilnahme sei schon den Büchern geschuldet. „Sie waren gut durchstrukturiert und die Figuren stimmig. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt fand ich interessant, dass man die Ohnmacht des kleinen Mannes den riesigen Katastrophen gegenüberstellt, die auf ihn hereinprasseln“, sagt die 56-Jährige. Zusätzlich konnte sie sich nicht dem Charme der Doppelrolle entziehen: „Ich spiele ja zwei gegensätzliche Figuren. Die zuerst unangenehm beschriebene Martha, Arthurs Frau, wächst einem mit der Zeit ans Herz. Sie hat eine besondere Persönlichkeit und ist zupackend, schlagfertig und eigenständig unterwegs. Die kleine unscheinbare Muriel entpuppt sich dagegen als viel geschickter als zunächst angenommen“. Was sie wiederum mit der Molly Solverson aus „Fargo“ verbindet.

Autor Benjamin Gutsche outet sich als riesiger Fan von „Fargo“, betont aber die Eigenständigkeit seiner Serie: „Wir spielen mit viel mehr Humor als etwa ,Fargo‘. Es war wichtig, dass man die Figuren auch hierzulande finden kann.“ Bedient hat sich Gutsche dabei der Impressionen, die er in seiner Geburtsstadt Luckenwalde aufgesogen hat. Die etablierten Sender mag Gutsche allerdings „noch nicht aufgeben wie so viele andere. Ich hoffe, dass sich durch die neue Konkurrenz auch die öffentlich-rechtlichen Sender mehr bewegen in Richtung ,Lerchenberg‘ und ,Tatortreiniger‘.“

Hoffnungen auf eine Fortsetzung von „Arthurs Gesetz“ dämpft er energisch: „Für mich war immer klar, ich schreibe eine in sich abgeschlossen Serie. Ich musste nichts für später zurückhalten, sondern konnte aus allen Rohren feuern und in diese sechs Folgen alles reinpacken, sodass jede Druck, Kraft und Spannung hat.“ Die fertige Serie trägt jetzt zumindest Liefers Gütesiegel: „Sonst kaue ich bei Premieren an den Nägeln, weil ich Fehler sehe. Hier habe ich mich vorbehaltlos amüsiert auch über die Kollegen.“ Zu denen übrigens auch Nora Tschirner gehört, noch so eine „Tatort“-Kollegin auf Abwegen, unter der Regie von Regisseur Christian Zübert.

„Arthurs Gesetz“, Telekom Entertain, ab 31. August

Jörg Seewald

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