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Magazine: Mit Kopftuch und Kajalstift

Gute Laune: Zwei deutschsprachige Zeitschriften für Migrantinnen und ihre ungewöhnlichen Perspektiven.

Der Aufruhr in der arabischen Welt, in Tunesien, Ägypten? Nein, das ist noch kein Thema in den aktuellen Ausgaben von „Imra’ah“, der ersten deutschsprachigen Zeitschrift für muslimische Frauen, und „Gazelle“, dem multikulturellen Frauenmagazin. Kann es gar nicht sein. Beide Zeitschriften erscheinen halbjährlich. Beide Redaktionen sind aber dran an den Geschehnissen, die derzeit die halbe Welt bewegen. „Wir versuchen entsprechende Kontakte herzustellen, um aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Online werden wir demnächst ausführliche Hintergrundberichte zu den Ereignisse im Nahen Osten bringen“, sagt Sineb El Masrar, Herausgeberin und Chefredakteurin von „Gazelle“. Ihre Eltern stammen aus Marokko.

Eine andere Perspektive. Die hat El Masrars 2006 gegründetes Magazin, das sich in erster Linie an Frauen mit Migrationshintergrund richtet, derzeit auch mit einem erstaunlichen Sonderheft. Titel: „Der ewige Moslem“. Seit Dezember ist es auf dem Markt und ist, sagt die Macherin, gut verkauft worden. „Die Debatte ist ja hochgekocht im vergangenen Jahr, nicht nur, aber auch wegen der Thesen von Thilo Sarrazin.“ „Der Moslem“ genieße in diesem Land derzeit die uneingeschränkte Aufmerksamkeit, bevorzugt als Terrorgefahr, Rückständiger oder als grundgesetzuntreuer Mitbürger. Mit eindimensionalen Antworten und Erklärungen solle man sich nicht auf falsche Fährten lenken lassen, schreibt die Chefredakteurin im Editorial. Die „Gazelle“-Sonderausgabe wolle „unverkrampft“ auf die Debatte eingehen, ohne zu analysieren.

Das ist dem Heft mit dem frech-provokativen Cover weitestgehend gelungen, in einem kernigen Interview mit dem Schriftsteller Feridun Zaimoglu beispielsweise („Ich bin ein gut gelaunter Deutscher!“), mit Beiträgen zur Bildungsarbeit muslimischer Frauenorganisationen („Integrationsverweigerer laufen uns die Bude voll“) oder zum Multikulti-Modenachwuchs aus Düsseldorf. Eine Anfrage an Thilo Sarrazin wegen eines etwaigen Gastbeitrags habe man sich erspart.

Das Magazin liegt mit einer Auflage von 12 000 Exemplaren am Kiosk. Sineb El Masrar möchte die typischen „Gazelle“-Themen auf keinen Fall den klassischen Frauenmagazinen überlassen. So wie der guten, alten „Brigitte“, die jüngst 50 Modeseiten von Migrantinnen präsentieren ließ. Höre man sich aber unter Frauen mit Migrationshintergrund um, sagt die 29-jährige gebürtige Hannoveranerin, werde deutlich, dass ein großer Teil von ihnen das Themenspektrum in Frauenzeitschriften als zu einseitig empfinde. Laut Statistischem Bundesamt leben rund 3,5 Millionen Frauen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland.

Für einen Teil davon arbeitet und schreibt auch Sandra Adeoye, Chefredakteurin von „Imra’ah“. Die erste Ausgabe ihrer deutschsprachigen Zeitschrift für Musliminnen ist im Sommer 2010 erschienen. In diesen Tagen folgt Heft zwei. Lifestyle, Beauty & Wellness mit Themen wie „Khol Kosmetik, der Augenaufschlag aus dem Orient“ oder People-Geschichten wie ein Interview mit der Rapperin Lady Scar, das ist ungewöhnlich genug in Rubrizierung und Inhalt. Es sei ihr mit der Zeitschrift wichtig, zu zeigen, was der Islam wirklich vermittelt: Liebe, Güte und Aufrichtigkeit. „Natürlich ist das nach Nachrichten, die diese Religion ausschließlich in Verbindung mit Terrorismus und Attentaten bringen, schnell vergessen.“, sagt die Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers. Güte und Liebe, das kann dann allerdings auch schon mal ein Kochrezept im Heft sein, das „Männerherzen höherschlagen“ lässt.

Ein Dorn im Auge für Orthodoxe oder Islamphobiker? Das auch, sagt die 23-jährige Studentin für Mediendesign, die „Imra’ah“ (Preis: 3,90 Euro) ohne journalistische Ausbildung fast im Alleingang stemmt, was der Zeitschrift mitunter anzumerken ist. Immerhin, vom ersten Heft hat Sandra Adeoye 1500 Exemplare verkauft, über das Internet. „Viele Frauen freuen sich darüber, dass jemand die Initiative ergriffen hat und versucht zu vermitteln, andere sind froh, endlich mal eine Zeitschrift in der Hand zu halten, die sich mehr mit ihren Bedürfnissen beschäftigt als andere Frauenzeitschriften.“ Klar, natürlich gebe es auch negative Rückmeldungen.

Der ewige Moslem? Manchen Vorurteilen begegnet man am besten mit einem Satz des Bielefelder Comedian Abdelkarim Zemhoute, aus dem „Gazelle“-Sonderheft: „Was bei ausländerfeindlichen Sprüchen zu sagen ist? ,Tut mir sehr leid, ich verstehe kein Deutsch.‘“

www.gazelle-magazin.de

www.imraah.de

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