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Medien: Jürgen Engert: Der Baumeister

Jürgen Engert und ich haben - den Lesern des Tagesspiegel sei es gestanden - nicht Wort gehalten. Wir waren übereingekommen, dem Journalismus treu zu bleiben und nie Direktor oder gar Intendant werden zu wollen.

Jürgen Engert und ich haben - den Lesern des Tagesspiegel sei es gestanden - nicht Wort gehalten. Wir waren übereingekommen, dem Journalismus treu zu bleiben und nie Direktor oder gar Intendant werden zu wollen. Zuerst wurde ich schwach, was Jürgen Engert mit Hohn und Spott über meine verkorkste Karriere quittierte. Um seinen seelischen Terror zu stoppen, habe ich ihn in das gleiche Elend gelockt. Es gelang mir bei einem italienischen Essen, ihn zu überreden, Gründungsdirektor des ARD-Hauptstadtstudios zu werden.

Der Schachzug lohnte sich. Ich hatte meine Ruhe, und die ARD hatte die Garantie, ihr Funkhaus an der Spree rechtzeitig fertig zu stellen. Eigentlich war es ein Ding der Unmöglichkeit, ein technisch hochkompliziertes Hörfunk- und Fernsehstudio für Korrespondenten aus zehn Landesrundfunkanstalten binnen kurzer Zeit "auf Sendung zu bringen". Jürgen Engert schaffte es. Die Bundesregierung kam nach Berlin, die ARD war schon in Berlin. Gelegentlich haben wir auch Erfolge.

Zusammengebracht hat uns Ronald Reagan. Als der amerikanische Präsident 1987 Berlin besuchte, fungierten Engert und ich als Kommentatoren einer stundenlangen Übertragungsorgie. Der Große Kommunikator baute sich an der Mauer auf und ließ den berühmten Satz vom Stapel "Mister Gorbatschow tear down this wall". Eine schöne Ermutigung, fanden wir beide, ähnlich wie Kennedys "Ich bin ein Berliner", aber ohne praktische Wirkung. Zwei Jahre später standen Engert und ich als Kommentatoren an der gleichen Stelle, und die Mauer war offen.

Deutsch-deutsche Autorität

In den Monaten zuvor hatten wir gemeinsam in zahlreichen Sendungen über den Zerfall der DDR berichtet, immer darauf bedacht, kein Öl ins Feuer zu gießen, um kein Blutbad durch das in Panik geratene SED-Regie zu provozieren, wie es in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens vorexerziert worden war. In den so genannten deutsch-deutschen Fragen war Jürgen Engert eine Autorität wie kaum ein anderer. Insbesondere bei der Bevölkerung der damaligen DDR besaß er höchste Glaubwürdigkeit.

In zahllosen Berichten hat er dazu beigetragen, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen in Ost und West zu stärken. Obwohl er mit der Wiedervereinigung zu seinen Lebzeiten nicht rechnete, hat er die Hoffnung darauf mit all seinen journalistischen Mitteln wachgehalten. Deshalb erachte ich es als einen besonders feinen Zug der Geschichte, dass es ihm vergönnt war, an einer der trostlosesten Ecken der deutschen Teilung das Hauptstadtstudio der ARD zu gründen.

In der ARD habe ich mit vielen erstklassigen Partnern zusammen gearbeitet. Die beste Erfahrung habe ich mit Jürgen Engert gemacht.

Fritz Pleitgen ist ARD-Vorsitzender, Intendant

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