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Serdar Somuncu, deutscher Kabarettist, Musiker und Schriftsteller türkischer Herkunft.

© dpa

Update

Interview mit Serdar Somuncu: "Ich glaube diese ganze Refugees-Welcome-Kacke nicht"

Kabarettist Serdar Somuncu über Pegida, Frank Plasberg, Hysterie in Flüchtlingsdebatten, sein Image als Hassprediger und seine neue Talkshow auf n-tv.

Herr Somuncu, jetzt machen Sie auch noch eine Talkshow. Was können Sie besser als Frank Plasberg, bei dem Sie neulich zu Gast waren?

Ich muss gar nicht so viel anders oder besser machen. Der Unterschied ist, dass wir uns mit „So! Muncu“ nicht als klassische Talkshow verstehen. Wir agieren eher in der Tradition von Christoph Schlingensief als in der von Anne Will und Frank Plasberg. Das ist die Dekonstruktion einer klassischen Talkshow.

Das klingt nicht sehr erkenntnisfördernd.
Wie man’s nimmt. Ich bin ein aktiver und wehrhafter Teil dieser Angelegenheit. Ich moderiere das nicht, manchmal provoziere ich das Ganze auch. Ich habe alle Freiheiten. Ich darf als Moderator sehr durchgeknallt sein.

Man kennt das, Sie als Lautsprecher der „heute-show“.
Ah, die „heute-show“. Ich schätze die Kollegen sehr, eine der wenigen Sendungen, in denen ich nicht zensiert werde. Große Leistung, die Oliver Welke zustande bringt, so viele unterschiedliche Künstler unter einem Deckmantel. Ein wichtiger Bestandteil unserer öffentlichen Kultur.

Jetzt haben Sie Kreide gefressen. In Ihren Auftritten geben Sie sich als Provokateur, Hassprediger, mit Spott gegen Minderheiten. Türken, Juden, Nazis, Schwule. Weiß n-tv, wen man sich ins Programm holt?
Das hoffe ich doch. Schauen Sie, da ist natürlich ein klaffender Unterschied zwischen dem, was die Medien aus einem machen und dem, was ich als Anspruch seit 30 Jahren auf der Bühne vertrete. Das mag unangenehm sein. Das mag jeder so einschätzen, wie er will. Wenn es nur darum ginge, dass Künstler gefällig zu sein haben, dann hätten wir ein langweiliges Leben und Sie nichts zu schreiben.

Jan Böhmermann sagte neulich im Tagesspiegel-Interview, er könne auf der Bühne ein so großes Arschloch sein, weil er privat viel zu nett ist. Wie groß ist die Kluft zwischen der Kunstfigur Somuncu und der wirklichen Person Serdar Somuncu?
Groß. Das hängt bei der Kunstfigur auch noch davon ab, welche Genres ich bediene. Ob ich bei meiner Tournee auf der Bühne stehe, in der „heute-show“ agiere oder als Schauspieler Kino-Filme drehe. Und wenn ich bei Frank Plasberg sitze, bin ich als Privatperson da. Ich lasse es mir dort nicht nehmen, aus der Rolle zu fallen und Position zu beziehen.

Das große Thema Integration/Flüchtlinge hat Ihre Medienpräsenz in den vergangenen Monaten beschleunigt, als deutscher Autor und Kabarettist türkischer Herkunft. Dabei sind Sie schon lange dabei.
Keine Ahnung, ob das so ist. Mein Werdungsprozess in den vergangenen 30 Jahren war jedenfalls öffentlich, die Zuschauer sind mitgewachsen, zum Teil aus Projekten, die ich in Schulen gemacht habe, wie mit der „Mein Kampf“-Lesung. Jan Böhmermann oder Klaas Heufer-Umlauf waren auch nicht immer Mainstream und sind mittlerweile Fernsehstars, haben sich durchgesetzt. Bei mir ist das Vorurteil hängen geblieben: Den kann man nicht einschätzen. Ich passe wohl nicht in bestimmte Klischees.

Welche Klischees?
Den Comedian-Redaktionen bin ich zu untürkisch, um Klischee-Türke zu sein. Den Talkshow-Redaktionen war ich zu lang zu wenig Kabarettist, um Kabarettist zu sein und zu wenig Politiker, um Politiker zu sein. Erst als ich mal bei Anne Will und Maybrit Illner saß, hat man gemerkt, he, der Mann muss sich gar nicht definieren. Der hat eine Meinung, das reicht. Am Anfang bin ich immer zu Integrations-Themen eingeladen wurden, als der Quoten-Kanake.

Jetzt haben Sie sich als Quoten-Türke etabliert, es zur eigenen Talkshow gebracht. Sie wollen über die aktuellen Entwicklungen nach der Kölner Silvesternacht talken. Was hat Ihnen zu dem Thema noch gefehlt bei Will, Plasberg, Illner, Maischberger?
Gelassenheit. Da war viel zu viel Hysterie, Affekt-Beladenheit. Allein, dass wir jetzt monatlich darüber diskutieren, wie wir uns Flüchtlingen gegenüber zu verhalten haben. Und unser Urteil davon abhängig machen, welche tagesaktuellen Meldungen durch die Gazetten geistern.

Das sagt sich so einfach.
Ja, es gibt ein Problem. Viele Menschen kommen nach Deutschland, wir müssen das organisieren. Aber wir müssen uns nicht durch jedes Ereignis aufschrecken lassen, dann eine Kehrtwendung um 180 Grad machen. Leute, die am Kölner Bahnhof Frauen überfallen haben, waren wahrscheinlich nicht mal alle Flüchtlinge. Im Übrigen war ich auch vor drei Jahren dort in Köln an Silvester, da ging’s genauso ab. Da wurden Böller in die Menge geschmissen, Frauen angetatscht. Es gab nur parallel nicht die Flüchtlingsdebatte.

Was folgern Sie daraus?
Das Problem beginnt doch schon da, dass wir weniger die Ursachen erforschen, weshalb die Menschen hierhin kommen, als die Auswirkungen zu bekämpfen. Ich glaube auch diese ganze Refugees-Welcome-Kacke nicht. Das ist so wie: Wir sind wieder wer. Das sind Wellen. Die kommen und gehen. Entscheidend wäre jetzt eine aufgeschlossene Debatte darüber, wie wir uns dieses Land vorstellen, in zehn Jahren. Das trauen sich die meisten aus ihrer Parteiräson heraus nicht.

Die Sprechblasen von Politikern.
Wenn Sie in Talkshows häufig neben Politikern stehen, spüren sie ständig diese Räson, immer. Jeder Politiker, der in einer Talkshow spricht, hat Angst, dass er nicht im Sinne seiner Partei spricht, dass er seinen Posten verlieren kann.

Sie scheuen kein Wort. Werden Sie oft bedroht, beschimpft?

Oh ja. Am Wochenende wieder wegen eines Berichts, den ich für 3sat gemacht habe, allerdings vor den Kölner Ereignissen. Da hatte ich die Flüchtlingsfrage umgekehrt und gefragt, ob es nicht zu viele Deutsche in Deutschland gibt. Obwohl es klar erkennbar ironisch war und Teil einer Satiresendung, hat ein Online-Portal es aus dem Kontext gerissen und als Angriff auf die deutsche Identität gewertet. Die Hunderte von Briefen, die ich dann bekomme, die veröffentliche ich auf meiner Homepage. Lesen Sie das lieber nicht, wenn Sie Ihr Land lieben.

Wie fanden Sie eigentlich diesen Eiertanz zuletzt um die öffentlich-rechtliche Elefantenrunde?
Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich würde versuchen, die im Rampenlicht vorzuführen. Vielleicht mache ich das in einer meiner nächsten Shows. Sollte es tatsächlich so sein, dass diese Leute von AfD oder Pegida so versiert sind, dann sollten wir über unsere Argumentation nachdenken und nicht diese Leute aus unserem Sichtfeld verbannen. Das ist Wasser auf die Mühlen der „Lügenpresse“-Brüller.

Serdar Somuncu, 47, deutscher Autor und Kabarettist türkischer Herkunft, bekannt vor allem aus der „heute-show“. In seiner neuen, monatlichen Talkshow „So! Muncu!“ (n-tv, Freitag, 22 Uhr 15) wirft Somuncu heute einen pointierten Blick auf Entwicklungen in der Flüchtlingsdebatte. Dabei zum Start: Autor Jan Fleischhauer, Schauspielerin Idil Baydar, Comedian Buddy Ogün und Junge-Union-Chef Paul Ziemiak. In seinem neuen Buch "Der Adolf in mir" beschäftigt sich Somuncu neben Themen wie Faschismus, Islamismus und NSU auch mit dem deutschen Kulturbetrieb und seinen Kollegen aus dem Kabarett- und Comedybereich.

RICHTIGSTELLUNG: In der ursprünglichen Fassung des Interviews mit dem Kabarettisten Serdar Somuncu gab es zwei Fehler. Danach hat Moderator Frank Plasberg mit Bezug auf Kanzlerin Angela Merkel gesagt: „Scheiß egal, was die Kanzlerin sagt.“ Dieser Satz ist nicht gefallen. Außerdem war Serdar Somuncu, wie im Interview angegeben, nicht nach den Kölner Vorfällen in der Silvesternacht bei „hart aber fair“ zu Gast, sondern bereits in der Sendung „hart aber fair“ vom 14.12. Wir bitten diese Fehler zu entschuldigen.

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