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Schlachteplatte. Die aktuellen Cover von „Charlie Hebdo“ (links) und „Spiegel“.

© dpa

Enthauptungen bei "Spiegel" und "Charlie Hebdo": Wird Satire kopflos?

Die Kopf-ab-Solidaritäts-Satire sollte keine Schule machen. Weil es die Satiriker schwach zeigt und schwach macht. Ein Kommentar

Deutet sich da ein blutiger Trend an? Wird der Zuschauer des „Neo Magazins Royale“ demnächst erleben dürfen/müssen, wie Satiriker Jan Böhmermann seinen eigenen Kopf neben sich auf den Moderatorentisch legt? Der Assi hat’s im Auftrag des Meisters getan, Böhmermann will damit Solidarität mit dem „Spiegel“ bezeugen. Der zeigt auf dem Titelbild des aktuellen Heftes US-Präsident Donald Trump, in der einen Hand ein blutiges Messer, in der anderen der abgetrennte Kopf der Freiheitsstatue in New York. In zarter Schrift daneben: „America first“.

Ein starker Auftritt des „Spiegel“, entschlossen, radikal, provokativ, der augenscheinliche Vergleich des neuen US-Präsidenten mit islamistischen Terroristen wie „Dschihadi John“ hat Buhrufe und Applaus geerntet. Bislang sind 16 Beschwerden beim Presserat, dem Selbstkontrollorgan der deutschen Presse, eingegangen. „Charlie Hebdo“, jedenfalls die deutsche Ausgabe des französischen Satiremagazins, fühlt sich zur Solidarität herausgefordert. Auf dem Cover der aktuellen Ausgabe ist Bundeskanzlerin Angela Merkel als Karikatur zu sehen, ein blutiges Messer in der einen Hand, den abgetrennten Kopf des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz in der anderen.

Sich an den „Spiegel“-Titel anzulehnen, sei eine Geste des Respekts gegenüber den Kollegen in Hamburg, sagte die Chefredakteurin der deutschen „Charlie Hebdo“-Ausgabe, die unter dem Pseudonym Minka Schneider auftritt. „Was uns am meisten schockiert hat, war das negative Echo darauf“, sagte Schneider. „Wir finden diese Titelseite ziemlich gut.“

In ihrer Zeitschrift erklärt die „Charlie Hebdo“-Redaktion ihre Motive: „Den Vorwurf, gegen gute journalistische Sitten zu verstoßen, kennen wir in- und auswendig“, heißt es dort. „So sitzen wir im gleichen Boot, denn im Zentrum der Polemik, bei euch wie bei uns, steht die Debatte um Meinungsfreiheit und die Art und Weise, wie man sie nutzt. Oder nicht nutzt.“ Gezeichnet hat das Cover Corinne Rey, Künstlername „Coco“, die den Anschlag islamistischer Terroristen im Januar 2015 in Paris überlebte. Bei dem Attentat starben zwölf Menschen.

Zweierlei überrascht. Zunächst die Solidarität in der Empfindsamkeit. Satiriker jeder Couleur leben von der frechen Attacke, vom Witz auf Kosten anderer. Art und Qualität der Attacken und Witze sind höchst unterschiedlich, die Reaktion darauf fällt im Publikum selten einheitlich aus, Humor ist Ansichtssache. Weniger Ansichtssache als durchgängige Überzeugung in der Satirebranche ist, dass sie zwar kritisieren, nicht aber kritisiert werden darf. „Charlie Hebdo“, Jan Böhmermann, Carolin Kebekus oder Serdar Somuncu schreien Zeter und Mordio, ja Zensur, wenn die Großartigkeit der satirischen Tat nicht von allen und überall anerkannt wird.

Das „Spiegel“-Cover hatte noch starke Suggestion und feine Subtilität, als Trump keinen Menschen, sondern ein Symbol enthauptet hatte. „Charlie Hebdo“ lässt schon beides vermissen. Grobe Nachahmung, dieser überzogene „Wir trauen uns was“-Gestus. Und passt die Schulz-Schlächterin Merkel wirklich in die Personal-Konstellation von dieser Kanzlerin und jenem Kanzlerkandidaten?

Die Kopf-ab-Satire sollte keine Schule machen. Ein zwei Mal erzählter Witz ist einmal zu viel erzählt. Die Pointe ist raus und verbraucht. Klar, das macht das satirische Geschäft so schwierig und anstrengend. Das gemeine Publikum verlangt nach ständig neuen Anreizen zum Lachen und Verlachen, zeigt in Einschaltquote und Heftabverkauf Gefallen und Missfallen. Der Satiriker, die Satirikerin geht ins Risiko, ja, er wird dorthin geschickt. Egal, der Daumen senkt sich, aller Anstrengung zum Trotz. Nur die „heute show“, die gewinnt immer. Wie gemein ist das denn? Joachim Huber

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