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"Deutschland '83" mit Jonas Nay wird als "Deutschland 86" von Amazon Prime Video und RTL fortgesetzt.

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"Deutschland '83" wird "Deutschland '86": Damit doof nicht doof bleibt

Können Gewohnheitsfernsehen und Streaming-TV nicht zusammen? Doch sie können, wenn sie wollen. Amazon Prime Video und RTL machen es vor

Augenscheinlich driften die beiden Fernsehkontinente immer weiter voneinander weg. Im linear geprägten Weltteil triumphieren Retro-TV und Gewohnheitsfernsehen. „Glücksrad“, „Familien Duell“ und „Tutti Frutti“ feiern ihre Comebacks bei RTL plus und RTL Nitro, der „Tatort“ wird immer am Sonntag um 20 Uhr 15 im Ersten laufen, „Aktenzeichen XY“ jagt Verbrecher, bis entweder das ZDF zu senden aufhört oder den Gangstern die Puste ausgeht. Fernsehen, konventionell zur Freude des konventionell denkenden Konsumenten.

Auf dem anderen und noch nicht bis in den letzten Winkel explorierten Kontinent agiert das Streaming-Fernsehen. Erstes und wesentliches Kennzeichen sind die horizontal erzählten Serien von „Breaking Bad“ über „Homeland“ bis hin zu den „Sopranos“. Telerevolutionär erzählte Literatur, Tiefenlotungen in die menschliche und unmenschliche Psyche hinein. Born in the USA das Allermeiste, Made in Germany das Wenigste. Im deutschen Gewohnheitsfernsehen funktionierte davon fast gar nichts, selbst einheimische Anstrengungen wie „Blochin“ oder „Deutschland ’83“ mit Jonas Nay haben der schmalen Resonanz wegen ZDF und RTL nur enttäuschen können.

Neues Geschäftsmodell

Aber aufgeben gilt nicht. Es ist ein neues Geschäftsmodell kreiert worden. Die ARD verfilmt zusammen mit dem Pay-TV-Sender Sky den Volker-Kutscher-Roman „Babylon Berlin“. RTL setzt „Deutschland ’83“ fort, indem der Streaming-Dienst Amazon Prime Video für die Erstausstrahlungsrechte von „Deutschland 86“ optiert und anschließend der Privatsender zum Zuge kommen kann.

Zwei Fernsehwelten und ein Produkt zum Nutzen beider Fernsehwelten, klingt das nicht naiv? Nicht unbedingt. Sky/Amazon werden die Staffeln komplett anbieten, wie es ihrer Streaming-Denke entspricht, ARD und RTL nehmen aktiv an der Entwicklung des Mediums teil, das immer noch Fernsehen heißt. Geteiltes Risiko, gemeinsames Glück, diese Formel sichert Produktionen, die es ohne Sharing-Modell wahrscheinlich nicht geben würde. Wer da immer noch ablehnt, der erinnert an den „Glücksrad“-Kombattanten, der im Angesicht folgender Begriffs-Herausforderung – „D..f bl..bt d..f“ – ein „a“ kaufte. Das kommt eben davon, wenn ein Staubsauger als größtes Glücksversprechen im Fernsehen erwartet wird.

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