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Anschalten, um abzuschalten: Der Münster-„Tatort“ erfüllt das Bedürfnis nach beschwingter Harmonie auch an diesem Sonntag. Kommissar Thiel (Axel Prahl, Mitte), im Bild zusammen mit Professor Boerne (Jan Josef Liefers), trifft auf seine mögliche Tochter Leila Wagner (Janina Fautz).

© WDR/Martin Menke

Der "Tatort" aus Münster: Jagdfieber und Vatergefühle

Eine junge Frau mischt in „Fangschuss“ das „Tatort“-Team aus Münster auf. Überhaupt sind es kluge Frauen-Typen, die die Männer auf Trab halten.

Boerne entwickelt Jagdfieber auf ein Wundermittel gegen Haarausfall, Thiel überkommen väterliche Gefühle. Was Männer in diesem Alter halt so umtreibt. Das ist, grob umrissen, der dramatische Kern des 31. „Tatort“-Films aus Münster. „Fangschuss“ erzählt eine ziemlich wirre Kriminalgeschichte, wird aber sicher wieder eine Riesen-Quotensause für die ARD: dass Axel Prahl und Jan Josef Liefers zuletzt weniger als zwölf Millionen Menschen vor die Bildschirme lockten – und zwar ganz linear im guten alten Stubenhocker-Fernsehen –, das ist schon fünf Jahre her. Seitdem ist man auf Rekordjagd. Welcher Fernsehfilm hatte in den vergangenen 25 Jahren die meisten Zuschauer? Der „Tatort – Schwanensee“ aus Münster (13,63 Millionen). Welcher Fernsehfilm hatte die höchsten Marktanteile? Der „Tatort – Feierstunde“ aus Münster (38,1 Prozent). Die westfälischen Buddy-Komödien sind die beliebtesten fiktionalen TV-Produktionen in Deutschland. Dass die ARD es nötig gehabt hätte, die neue Folge durch einen Auftritt von Prahl und Liefers Samstag bei „Verstehen Sie Spaß?“ zu promoten, kann man wirklich nicht behaupten.

Ein Treffen mit alten Bekannten

Am Sonntag dann wird wieder geliefert, was sich das „Tatort“-Publikum erhofft. Anschalten, um abzuschalten. Ist ja keine Schande. Kein Weltschmerz, kein Problemfilm, nur ein 90-Minuten-Treffen mit alten Bekannten. Eine Wiedersehensfreude, die sich verlässlich einstellt, weil sich die Überraschungen in Grenzen halten. Mögen andere Krimis ausgefeiltere Plots und eine beeindruckende Bildsprache haben oder spannender, auf- und anregender sein: Der Münster-„Tatort“ erfüllt das Bedürfnis nach beschwingter Harmonie am Ende des Wochenendes offenbar perfekt. Ein westfälischer Friede, trotz der zahlreichen Wortgefechte. Die Familienaufstellung dieses Krimi-Teams ist eher konservativ. Zwei miteinander wie ein altes Ehepaar streitende Herren mittlerer Reife, ein eitler Pfau und ein grauer Mäuserich, umrahmt von klugen Frauen-Typen. Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann), Kommissarin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) und die schlagfertige Silke Haller alias „Alberich“ (ChrisTine Urspruch) stehen zwar in der zweiten Reihe. Sie sind es aber, die die Männer auf Trab bringen. Und im Schatten der Schadenfreude über den Angeber-Professor gehen sogar Witze über Kleinwüchsige.

„Wie viele Zwerge braucht man, um eine Leuchtstoffröhre zu wechseln?“, spottet Boerne. Alberich, die gerade auf einem Hocker balanciert und ausnahmsweise die Welt von oben betrachtet, pariert den Spruch mit dem Hinweis auf das „schüttere Gefieder“ des Rechtsmediziners. Boerne paukt gerade für die Jäger-Prüfung, und wie der Drehbuch-Zufall es will, erforscht eine der Prüferinnen im Jagdverband, die kühle Schönheit Dr. Freya Freytag (Jeanette Hain in ihrer Paraderolle), in der eigenen Firma ein Wundermittel gegen Haarausfall. Thiele ermittelt derweil in zwei Todesfällen und in seiner Vergangenheit. Ein junger Mann fällt von seinem Hochhausbalkon, ein Journalist wird von einem Killer erschossen. Dieser Jens Offergeld (Christian Maria Goebel) hatte gerade eine junge Frau zu Gast: Leila Wagner (Janina Fautz) sucht ihren Vater. Die sterbenskranke Mutter hatte ihr die möglichen Kandidaten genannt. Offergeld hatte sich sterilisieren lassen, also muss es wohl Thiel sein. Der Kommissar, der schon einen in der Ferne lebenden Sohn hat, ist erst misstrauisch, schließt Leila dann aber ins Herz.

Eine Auszeit für Thiels Vadder

Während Thiels Taxi fahrender Vater hier eine Auszeit bekommt, bringt die temperamentvolle junge Frau etwas Leben ins eingefahrene Münsteraner Krimi-Muster. Und damit jeder sofort erkennt, wie unkonventionell sie ist, hat man ihr die Haare blau gefärbt. Außerdem verblüfft sie mit einem unerschrockenen und ziemlich unlogischen Leichtsinn, versucht Offergelds Killer zu erpressen, ohne zu wissen, womit. Das könnte trotzdem vergnüglich sein, hätte man ihr nicht den Hang zu Selbstgesprächen und Floskeln wie „Das Leben ist ja kein Ponyhof“ in den Mund gelegt. Egal. Lustig ist dieser „Tatort“ ja. Ab und zu. „Wissen Sie, wie viele Liegestütze ich kann?“, fragt Boerne seinen Kumpel. Nein, Thiel weiß es natürlich nicht. Boerne: „Alle.“ Das ist Selbstüberschätzung mit philosophischem Tiefgang – oder einfach nur: schöner Unfug aus Münster.

„Tatort – Fangschuss“; ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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