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Die Dialoge von Alexandra Maria Lara – hier mit Chris O’Donnel in „The Company“ – wurden kaum erträglich übersetzt. Die dreiteilige Serie startet am Freitag um 21 Uhr auf ARD Alpha.

© BR/2007 Sony Pictures Television

Besser Original mit Untertiteln?: In der Synchronisationshölle

Vom Filmklassiker über die Streaming-Serie bis zur BBC-Doku. Viele Übersetzungen klingen wie schlechte Waschmittelwerbung.

Der Agenten-Dreiteiler „The Company“ wäre kaum der Rede wert – würde ARD Alpha nicht das britische Original untertitelt zeigen. Zum Glück – die Sat-1-Fassung vor einigen Jahren war wie so vieles im Land der notorischen Synchronisation furchtbar. Ob ein Gütesiegel da Abhilfe schafft?

Selten klang ein Filmsatz verlockender: „I give you the man’s voice“ – mit den Worten bietet ein Ost-Berliner Spion der CIA die Enttarnung eines Maulwurfs im Westen an. Doch was für Kalte Krieger Gold wert war, ist es 63 Jahre später für Fernsehzuschauer umso mehr: Anders als üblich zeigt ARD Alpha nämlich nicht die deutsche Übersetzung des Agenten-Dreiteilers „The Company“, sondern das englische Original, mit Untertiteln, abrufbar per Videotext. The man’s voice.

Endlich.

Ansonsten funktionieren Film & Fernsehen schließlich wie bei der Premiere 2012: Für Sat1 wurde die Story dreier Freunde, die beiderseits des Eisernen Vorhangs für- und gegeneinander kämpfen, so plump übersetzt, dass Darsteller wie Chris O’Donnell oder Michael Keaton klangen wie in der Waschmittelwerbung. Selbst die deutschen Alexandra Maria Lara und Misel Maticevic haben ihr Drehbritisch so künstlich ins Heimatidiom rückübersetzt, dass es kaum zu ertragen ist.

Wer die Bildschirmhölle sucht, muss also nicht zum Dschungelcamp zappen; am heißesten brennt das Inferno in Hamburg, Berlin und München, bei Taurus, Splendid oder wie rund drei Dutzend Übersetzer importierter Fiktion so heißen. Für die Illusion lippensynchroner Verständlichkeit wird fast jeder fremdsprachige Dialog ins Stahlbad teutonischer Emphase getaucht. Während sich Skandinaviern das Wesen des Originals untertitelt erschließen darf, bügelt Deutschland vom Filmklassiker über BBC-Dokus bis zur Netflix-Serie alles glatt. Der Beelzebub zweidimensionaler Unterhaltung, er heißt Synchronisation.

Daniel Hartwich statt Matthew McConaughey

Sofern es um die überhaupt geht. Wenn Matthew McConaughey als computeranimierter Panda in „Sing“ aus PR-Gründen durch den RTL-Moderator Daniel Hartwich ersetzt wird oder ein zugkräftiger Laie wie der Youtuber Gronkh den Lego-Batman des Vollprofis Zach Galifianakis übernimmt, mangelt es an Respekt vorm Medium, nicht an besseren Sprechern (von denen viele am Existenzminimum kratzen). Andererseits hat es oft profane Ursachen, wenn die Qualität hinter der Quantität herhinkt. Kosten-, vor allem aber Zeitdruck, kritisierte Tobias Jahn vom Marktführer Berliner Synchron in der „Süddeutschen Zeitung“, ließen „kreative Entscheidungen schwieriger werden“.

Undiplomatisch ausgedrückt: Ein Akkordhonorar von drei Euro pro Szene sorgt eher für Tempo als Sorgfalt am Mikro. Stimmstars wie Daniela Hoffmann (Julia Roberts) oder Christian Brückner (Robert de Niro) handeln zwar hohe Pauschalen aus; gerade im Fernsehen aber leidet das Niveau so unter der Fließbandsynchronisation, dass Pro7 zuletzt die Neuübersetzung der kanadischen Serie „Vikings“ forderte. Was gut, was mies verdeutscht sei, ist für Neumann zwar auch in diesem Fall „geschmäcklerisch“; dennoch nahm ihn der Mitbegründer des hiesigen Synchronverbands zum Anlass, ein Gütesiegel zu entwickeln.

Wer den Kodex der Gilde zur Achtung von „Professionalität, Originaltreue, Verlässlichkeit, Transparenz“ unterschreibt, darf seit 2017 das Label im Abspann zeigen. Doch Fairness oder Teamwork bei genügend Zeit und Geld zu garantieren, hat einen Haken: Weil fünf der sechs großen Studios im Verband sind, kriegen neun von zehn Kinofilmen und viele TV-Formate nun ohne Einzelfallprüfung ihr Siegel. Für Neumann ist es daher „keine Auszeichnung im künstlerischen Sinne“, spiegelt aber Minimalstandards wider, denen sich die Koalition aus Sprechern, Machern, Regisseuren, Autoren, Cuttern und Tonmeistern unterwirft. Ein wichtiges Signal ans Publikum. Denn das ändert seine Sehgewohnheiten zurzeit im Gleichschritt mit dem Angebot. Dank Streamingdiensten und DVD werden immer hochwertigere Serien gern staffelweise am Stück im Original konsumiert.

Staffelweise im Original bleibt die großstädtische Ausnahme

Noch ist das allerdings eher großstädtische Ausnahme als bundesweite Regel; ein halbes Jahr, nachdem Pro7Maxx ein paar Originale ins Programm genommen hat, sind sie mangels Interesse wieder rausgeflogen. Als Grund nennt Neumann Studien zur Augenbewegung, denen zufolge viele Zuschauer „einen Großteil der Bildinformationen nicht wahrnehmen, weil sie ständig mit dem Lesen der Untertitel beschäftigt sind“. Bevor Englisch also zur zweiten Muttersprache der Generation Netflix wird, sind gute Synchronisationen unerlässlich.

Weil die allerdings in der Breite nach wie vor auf sich warten lassen, existiert eine Art Hassliebe zu den Stimmen vieler Stars. Als Anke Engelke 2007 etwa Elisabeth Volkmann bei den „Simpsons“ ersetzt hat, hagelte es derbe Kritik, die sich aber rasch in Wohlwollen auflöste. Engelkes Geheimnis: weder billige Kopie noch rabiater Bruch. Es ist eine Gratwanderung. Während Robert de Niro das Timbre von Christian Brückner persönlich lobt, versaut Joachim Tennstedts Walter White selbst hartgesottenen Fans den Spaß an „Breaking Bad“ – und treibt den Nachwuchs so immer weiter fort vom Regelprogramm Richtung Netz.

Ein Ausweg wäre das Prinzip freie Auswahl, wie es ARD Alpha mit „The Company“ versucht. Technisch ist das im digitalen Zeitalter kein Problem, lizenzrechtlich schon eher. Ein Versuch wäre es allemal wert. Give us the man’s voice!

Jan Freitag

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