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Der Axel Springer Verlag ist am polnischen Boulevard-Blatt "Fakt" beteiligt.

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„Berliner Diktat“?: Polen will deutschen Medienhäusern an den Kragen

Die „Re-Polonisierung“ der Medien richtet sich vor allem gegen private Verlagshäuser aus Deutschland. Ende Juni sollen die rechtlichen Voraussetzungen verabschiedet werden.

Die Gleichschaltung der öffentlich-rechtlichen Medien ging bei der polnischen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) mit leichter Hand über die Bühne. Kaum an der Macht nach ihrem überragenden Wahlsieg wurde das sogenannte Kleine Mediengesetz durch beide Parlamentskammern geboxt. Kurz nach Neujahr 2016 hatte das Staatsfernsehen einen neuen Chef, bald danach auch das Staatsradio. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, Polens starker Mann, rieb sich die Hände, war er die allzu kritischen Geister nun los.

Allerdings ist die PiS-Medienrevolution nicht abgeschlossen. Ihr zweiter Teil, eine „Re-Polonisierung“ der privaten Verlagshäuser, tritt indes seit Monaten auf der Stelle. Eigentlich hätte das so genannte Re-Polonisierungsgesetz Ende 2016 bereitliegen sollen. Nun wurde als neues Zieldatum Ende Juni verkündet. Dann soll es vor allem den angeblich „deutschen Medienhäusern“ in Polen an den Kragen gehen.

Allerdings steht Warschau hier eine ausgefeilte EU-Gesetzgebung im Wege, die die Diskriminierung von Kapital aus andern EU-Mitgliedsländern verbietet. Die PiS sucht deswegen den Umweg über ein neues Anti-Monopolgesetz. Ausgerechnet Deutschland soll Polen hier als Vorbild dienen. „Nach deutschem Vorbild wollen wir eine Dominanz gewisser Verlage ausschließen“, sagt die PiS-Abgeordnete Barbara Bubula. Dabei sollen Medienkreuzungen zwischen Radio, TV und Zeitungen – ebenso nach deutschem Vorbild – miteingerechnet werden. Bubula begründet all dies ausgerechnet mit dem Pluralismus, der ansonsten in Polen gefährdet sei.

Gearbeitet wird deshalb an einem Gesetz gegen Monopolbildungen, das diese von bisher allgemein maximal 40 Prozent auf 30 Prozent für Medienhäuser senkt. Im Fadenkreuz der PiS stehen dabei erklärtermaßen vor allem Verlage mit deutscher Kapitalbeteiligung. Laut Elzbieta Kruk (PiS), der Vorsitzenden des Kulturausschusses des Sejm, befinden sich in Polen fast 80 Prozent der Verlagshäuser in ausländischer Hand. Eine so hohe Auslandskapitalbeteiligung ist EU-weit einzigartig. Drei Viertel davon werden angeblich von deutschen Unternehmen dominiert. „Sollen wirklich die Deutschen die polnische Regierung kontrollieren?“, fragt deshalb Kruk.

Die anti-deutsche Karte wird gespielt

Die Antwort ist für jeden PiS-Anhänger – und nicht nur diese – klar: Nein! Seit Jahren hat die PiS mit der anti-deutschen Karte gespielt. In den PiS-nahen Medien wird in Bezug auf bestimmte Pressetitel immer wieder von „der fünften Kolonne“ gesprochen. Dazu gehört das auflagenstarke Boulevardblatt „Fakt“ genauso wie Lokalzeitungen, die vom Verlag Polskapress, einer Tochter der Neuen Passauer Presse, herausgegeben werden. Der Konzernchef von Ringier Axel Springer, immerhin ein schweizerisch-deutsches Medienhaus, wird dort ungeniert als „Gauleiter“ beschimpft.

Da im Herbst 2018 Lokalwahlen anstehen, gehen viele Beobachter in Warschau davon aus, dass es „Polskapress“ als Erstes an den Kragen gehen soll. Die polnische Tochter der Neuen Passauer Presse gibt 23 Regionalzeitungen heraus. Größere Brocken werden Ringier Axel Springer (eine wichtige Online-Plattform und 13 große Pressetitel, darunter neben „Fakt“ das Nachrichtenmagazin „Newsweek Polska“) und Bauer (53 Pressetitel) sein. In Polen tätig ist dazu auch der Burda-Verlag. Die meisten von ihnen beschäftigen ausschließlich polnische Journalisten. Dennoch wird ihnen von der Regierung vorgeworfen, „nach Berliner Diktat“, und das heißt vor allem PiS-kritisch, zu berichten.

Noch sind zu dem neuen Anti-Monopolgesetz wenige Einzelheiten bekannt. Laut Vize-Regierungschef und Kulturminister Piotr Glinski soll es jedoch Übergangsfristen geben, die den Verlagen zuerst einen freiwilligen Verkauf ihrer Anteile an einen polnischen Käufer erlauben. Erst danach wird laut PiS-Kritikern mit dem Gedanken gespielt, Staatsbetriebe könnten Zwangsaufkäufe durchsetzen.

„Es wird bestimmt einen großen Sturm der Entrüstung geben“, sieht die PiS-Abgeordnete Barbara Bubula voraus. „Wir aber haben keine Angst; wie überall sonst weichen wir nicht zurück; man muss eben einfach die Gesetze verabschieden und dann etwas abwarten.“

Paul Flückiger, Warschau

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