zum Hauptinhalt
Theresa May will Großbritannien aus der EU führen.

© AFP, Hannah McKay

ARD-Doku über Brexit: Reif für die Insel

Eine ARD-Dokumentation über den „Auszug aus Europa – Was die Briten bewegt“. Der Film verbindet den zeitgenössischen mit dem historischen Blick.

„Die Engländer sehen es als einen Affront gegen Gott und die Natur an, von Ausländern beherrscht zu werden.“ Dieses schöne Bonmot stammt von dem Schriftsteller George Orwell, dessen Roman-Dystopien „1984“ und „Farm der Tiere“ angesichts der aktuellen polithistorischen Geschehnisse derzeit auf den Bestsellerlisten stehen, insbesondere auf jenen in den USA und in Großbritannien, natürlich. Doch, wie lange noch wird es etwa dieses Großbritannien überhaupt noch geben? Wird es am Ende zerfallen? Mit dem Referendum vom 23. Juni 2016 und dem von Premierministerin Theresa May schließlich am 29. März 2017 erklärten Austritt Großbritanniens aus der EU ist zugleich auch das Vereinigte Königreich in seiner Existenz bedroht. Wie wird es weitergehen, etwa mit Schottland, das in der EU bleiben will? Wird der befriedete Konflikt zwischen Irland und Nordirland erneut entfacht werden? Fragen, die man sich diesseits wie jenseits des Ärmelkanals derzeit tagtäglich stellt.

Fragen, auf die auch die ARD-Dokumentation „Auszug aus Europa – Was die Briten bewegt“ von Carsten Günther gewiss keine abschließenden Antworten zu liefern vermag. Wie auch. Vielmehr unternimmt die Dokumentation in sachlich-unterhaltsamer Manier den Versuch, durch Deskription und Gespräch etwas Klarheit in den diffusen Londoner Nebel zu bringen. England-Kenner wie der langjährige Londoner Korrespondent der „Welt“, Thomas Kielinger, der sich in den vergangenen Jahren auch mit neueren Biografien über Queen Elizabeth und Sir Winston Churchill hervortat, oder der britische Historiker Timothy Garton Ash („Ein Jahrhundert wird abgewählt“, „Im Namen Europas“) geben Auskunft über das ambivalente Verhältnis zwischen Kontinental-Europa und der britischen Insel.

Romantische Liebe sieht anders aus

Dieses Europa, das scheint für die spleenigen Insulaner seit jeher eine Art notwendiges Übel zu sein, wahre romantische Liebe sieht gewiss anders aus. Stimmten 1975 noch 67 Prozent in einem ersten Referendum für die damalige EWG ab, so waren es an jenem fatalen Juni-Tag im Sommer 2016 wiederum 51,89 Prozent, die dagegen stimmten. Der „Brexit“ war initiiert, vorbei ist’s mit freundschaftlichem brückenbildenden Plaudern zur tea time.

Die Doku „Auszug aus Europa“ blickt auf dieses diffizile Verhältnis und verbindet dabei den zeitgenössischen mit dem historischen Blick: Wie sehr doch noch das Gestern ins Heute reinspielt. Als Großbritannien seinerzeit erstmals um Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft bat, war es ausgerechnet der Erzrivale jenseits des Kanals, die Grande Nation Frankreich, die dieses Gesuch brüsk ablehnte. Man war wahrlich not amused im schrulligen Inselreich.

Das hübsche Bonmot von George Orwell, diesem Visionär, der seiner Zeit weit voraus war und die unsere vorwegnahm, es könnte bald schon Konsequenzen zeitigen: denn der Affront, von Ausländern beherrscht zu werden – sprich: fremdbestimmt von den EU-Kommissionen in Brüssel –, bedeutet nun den finalen Rückzug. Was würde wohl Orwell heute zu alledem sagen? Thilo Wydra

„Auszug aus Europa – Was die Briten bewegt“, Montag, ARD, 23 Uhr 45

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false