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Mal nicht der „Tatort“, eine wahre Geschichte. Anna Schudt wartet als Gaby Köster auf ihren Auftritt. Später bekommt die Komikerin einen Schlaganfall.

© RTL/Wolfgang Ennenbach

Anna Schudt im Porträt: Aus der Männerdomäne

Komödie, Drama, Krimi, gerne auch mehr Theater: Die Schauspielerin Anna Schudt kann nun zeigen, was in ihr steckt. Eine Begegnung.

Eine alleinerziehende Mutter, eine Komikerin mit Gehirnschlag, eine Kommissarin in Terror-Angst – die Schauspielerin Anna Schudt hatte schon ruhigere Zeiten in ihrem Leben. Gleich in drei verschiedenen Hauptrollen ist sie in diesen Tagen auf dem Bildschirm zu sehen. Am Karfreitag zum Beispiel in der Gaby-Köster-Verfilmung, am Montag im Dortmunder „Tatort“, und wenn man sie fragt, welcher Figur sie sich dabei am nächsten fand, bekommt man keine eindeutige Antwort. Das mit den vielen Filmen in kurzer Zeit, das war beim Dreh ja so nicht geplant. Sie lacht. „Hoffentlich haben die Leute nicht ganz schnell genug von mir.“

Ein sonniger Märzmorgen in Kreuzberg. Anna Schudt ist überpünktlich, wartet in einem Café. Alleine, ohne Agentin, was beim Interviewtermin mit Schauspielern selten genug vorkommt und vielleicht genauso für die Umgänglichkeit dieser Künstlerin spricht wie ihre erstaunliche Seelenruhe. Ihr ist auf dem Flug von Düsseldorf nach Berlin das Handy abhandengekommen. Für viele wäre das ein Desaster, für die gebürtige Konstanzerin – „eine Bodensee-Pflanze“, wie sie sagt – offenbar kein Problem.

Wichtiger dann doch die Frage nach dem Image, welcher Typ Schauspieler sie ist, wofür sie steht. Anna Schudt? Vielleicht ist das nicht der Name, zu dem einem sofort das Gesicht einfällt. Aber wenn man sie auf dem Bildschirm sieht, heißt es: Die kenn ich. Vor allem aus dem „Tatort“ in Dortmund. Seit fünf Jahren spielt sie dort die Kommissarin Martina Bönisch. An der Seite, möglicherweise auch ein bisschen im Schatten des durchgeknallten Kommissars Faber (Jörg Hartmann).

„Ich liebe so etwas, da kommt eine andere Weiblichkeit zutage"

Dabei ist die Bönisch im Grunde genauso durchgeknallt – mit ihrer Ehekrise. Sie geht mit Callboys ins Hotel. Was selten genug vorkommt im deutschen Fernsehen. „Ja, leider“, sie lacht wieder, „im Ernst, ich finde, dass das Thema mit den Callboys und der Kommissarin vernachlässigt wird.“ Das sei ja eigentlich eine Männerdomäne, und Frau Bönisch drehe das um. „Ich liebe so etwas, da kommt eine andere Weiblichkeit zutage, völlig gegen die Sehgewohnheiten.“ Das interessiere sie.

Völlig gegen die Sehgewohnheiten – das ist ein anderes Projekt, der RTL-Film „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“ nicht unbedingt. Das Angebot, die Kölner Comedy-Ikone Gaby Köster zu spielen, habe sie sehr überrascht. „Als ich zum Casting eingeladen wurde, war ich mir völlig im Unklaren, wie ich zu dieser Ehre komme.“ Sie überlegt kurz. „RTL war ja nicht mein Sender, ich selber wäre nie auf den Gedanken gekommen, Gaby Köster zu verkörpern.“

Obwohl, man muss es schon sagen: Die Ähnlichkeit mit Gaby Köster ist unverkennbar. Wichtig war ihr bei diesem Projekt, dass es eine klare Verabredung mit dem Publikum gibt, durch die Klammer des eingespielten Archivmaterials: Das hier ist die echte Gaby Köster, das ist Gaby Köster, gespielt von Anna Schudt.

Der Film thematisiert den plötzlichen Schlaganfall 2008 – ein Kapitel aus Gaby Kösters Leben, worüber es kein Bildmaterial gibt, wegen einer Mediensperre damals. „Im Endeffekt hatte ich dadurch eine gewisse Freiheit im Spielen“, sagt Anna Schudt. Und noch ein Vorteil: Sie habe sich mit Gaby Köster vor Beginn der Dreharbeiten mehrmals getroffen. Normalerweise kann man seine Rollen ja nicht befragen.

Sie ist„absoluter Schiller-Fan“

Herausgekommen ist ein Film mit privatfernsehtauglichem, leicht klischeeartigem Ende, der eher nicht Grimme-Preisverdächtig ist, seiner Hauptdarstellerin aber durchaus einen Fernsehpreis einbringen könnte. Nicht nur wegen des Köster-Kölschs, das sich Anna Schudt angeeignet hat. Im Unterschied zum Dortmunder „Tatort“ oder der Rolle der alleinerziehenden Frau Busch neulich in der ARD-Trilogie „Eltern allein zuhause“ zeigt sie hier Mut zur Hässlichkeit, anverwandelt sich Mimik und Gestik der im Rollstuhl unter dem Schlaganfall leidenden Patientin, mit hängendem Augenlid.

Es sind wohl solche Rollen im ungewohnten Umfeld, auf die eine Schauspielerin wartet, die nicht im Serienkorsett der „Tatort“-Kommissarin verschwinden möchte. Es steigen eben ja ständig „Tatort“-Kommissare aus: Stefan Konarske in Dortmund, Eva Mattes, Sabine Postel, Oliver Mommsen, Sibel Kekilli. Anna Schudt sieht keinen Anlass, aufzuhören. Die Bücher seien gut.

Der „Tatort“ ist und bleibe ein Experimentierfeld im deutschen Fernsehen, gerade auch wegen seiner guten Quoten. Und: Der Kultkrimi im Ersten habe ihr Türen geöffnet. Jetzt die beiden Movies, im Sommer dreht sie einen Film über diese „Stern“-Schlagzeile von 1971: „Wir haben abgetrieben“. Auch wieder mehr Theater wäre nicht schlecht für die Falckenberg-Schülerin, die zweimal den Kurt-Meisel-Preis erhielt. Sie ist „absoluter Schiller-Fan“. Sehr zur Freude ihrer Eltern. Die seien traurig, erzählt Anna Schudt, dass ihre Tochter „nur“ Fernsehen mache, fragen: „Wann machst du mal wieder Kunst?“

Ein Scherz, vielleicht, aber dann sollten ihre Eltern hier trotzdem nicht weiter lesen. Sie müsse, sagt Anna Schudt, diese spezielle Kommissarin Bönisch nach fünf Jahren nicht mehr suchen, sie sei in ihr verankert: dieses Konsequente, Harsche, Bellende, Abkanzelnde, das könne sie auch ganz gut. Die 43-Jährige, mit einem Schauspieler verheiratet, Mutter dreier Söhne, schäme sich halt nur immer ein bisschen bei den Hotelzimmer-Drehs.

Sie erzählt noch eine Geschichte vom „Tatort“-Set, bevor sie sich auf dem Weg gen Flughafen macht, zurück nach Düsseldorf. „Beim ersten Callboy war es so, dass wir nach dem Händeschütteln ins Hotelzimmer-Set gingen. Der Regisseur sagte zum Team: ,Closed set! Jetzt gehen erst mal mal alle höflich raus, die Schauspieler machen sich fertig, wir kommen rein, wenn ihr so weit seid.‘ Wir zogen uns also aus und drapierten uns aufs Bett. Ich unten, er oben, beide fast nackt. Und dann – kam niemand. Meinem Schauspielpartner lief der Schweiß runter. Nach drei Minuten rief ich: Hallo? Die hatten sich alle rücksichtsvoll zum Kaffee verpieselt. Und wir haben geschwitzt.“

„Ein Schnupfen hätte auch gereicht“. Karfreitag, RTL, 20 Uhr 15

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