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Mehr Publikum! Eine gleichzeitige Bereitstellung von Kinofilmen wie „Toni Erdmann“ (mit Sandra Hüller) auf Streamingportalen könnte die Zahl der Zuschauer vergrößern.

© picture alliance / Komplizen Fil

Alternativen zu Amazon und Netflix: Streaming für die Nische

Im Gefolge von Amazon und Netflix wagen sich immer mehr kleine Anbieter auf den Online-Videomarkt. Jetzt müsste nur noch eine Einschränkung für die Mediatheken fallen.

Jeder kennt Amazon und Netflix. Mit ihren erfolgreichen Produktionen „House of Cards“, „Transparent“ und „Orange is the new Black“ bestimmen die beiden Online-Videotheken aus Amerika die Bildschirme der Zuschauer. Wer sich aber für Arthouse Filme von Lars von Trier oder andere Independent-Produktionen interessiert, wird bei den beiden großen Playern nicht fündig. Auch viele Klassiker von Rainer Werner Fassbinder oder Jean-Luc Godard sucht der Zuschauer bei Netflix und Co. vergeblich. In diese Lücke stoßen zunehmend kleine Streamingdienste, die sich meist auf eine Nische beschränken und hier ein möglichst zielgenaues Angebot programmieren.

Der älteste unter diesen Streamingdiensten ist ein britisch-amerikanischer Anbieter. 2008 unter der sperrigen Bezeichnung The Auteurs im Silicon Valley gegründet, sitzt das Unternehmen mit neuem Namen in London. Mubi stellt für eine monatliche Gebühr von 5,99 Euro jeden Tag einen Independent-Film aus aller Welt ins Netz, der nach einem Monat wieder aus dem Angebot verschwindet.

Rund 30 Filme stehen jederzeit zur Verfügung. Das Spektrum reicht vom Luis-Buñuel-Klassiker von 1930 bis zu Arthouse Kino aus Südkorea. Das Modell, sich auf wenige Filme zu beschränken, ist derzeit einmalig. Als Service bietet die Plattform allerdings neben vielen Hintergrundinformationen auch Interviews und Essays zu den jeweiligen Filmen.

Aus Berlin kommt der Anbieter realeyz, der für 5,50 Euro im Monat mehr als 1900 Filme bereitstellt. Der Schwerpunkt liegt auf europäischem Arthouse. Viele Filme, die auf Festivals ihre Premiere feierten, aber nur in wenigen Kinos liefen, können hier bequem abgerufen werden. Der erfolgreichste Film auf der Plattform ist „Die Frau mit den fünf Elefanten“, ein Dokumentarfilm über eine zeitgenössische Übersetzerin russischer Literatur ins Deutsche.

„Independent-Filme sind auch ein Lifestyle“

Eine der größten Herausforderungen für die Streaminganbieter ist die Differenzierung von den Wettbewerbern. Netflix und Amazon sind deshalb vor einiger Zeit dazu übergegangen, nicht nur Lizenzen zu erwerben, sondern Filme und Serien wie das erfolgreiche „Stranger Things“ selbst zu produzieren. Ein kostspieliges Unterfangen, das sich Netflix in diesem Jahr über fünf Milliarden Dollar kosten lässt. Anbieter wie realeyz können sich das nicht leisten. Da die eingekauften Filme und Serien auch beim Mitbewerber zu finden sind, setzen die kleinen Anbieter auf ein klares Profil. „Independent-Filme sind auch ein Lifestyle“, sagt Andreas Wildfang, Chef von realeyz.

Eine andere Nische besetzt Hans W. Geißendörfer, ein Veteran des deutschen Kinos, der zu den Vätern des Neuen Deutschen Films gehört. 2013 hat der Regisseur und Produzent („ Lindenstraße") alleskino auf den Markt gebracht. Die Plattform bietet ausschließlich deutsche Kinofilme an. Die Online-Videothek hat es sich zum Ziel gesetzt, alles vom ersten Werk aus dem Kaiserreich bis zum aktuellsten Film im Portfolio zu haben. Etwas mehr als 12 000 Titel müsste alleskino dann anbieten – ein ehrgeiziges Ziel bei derzeit 850 Werken, die auf der Plattform zu finden sind.

Während die meisten Anbieter inzwischen nur auf das Abonnement setzen, bietet das Unternehmen darüber hinaus Filme im Einzelabruf an. Die Miete eines Films kostet zwischen 2,99 und 4,99 Euro. Ein Bezahlmodell, das auch der Anbieter Pantaflix favorisiert. Dahinter steckt ebenfalls ein Player aus der Filmbranche. Schauspieler und Regisseur Matthias Schweighöfer hat im August 2016 den Streamingableger an den Markt gebracht hat. Im Angebot sind Independent-Filme, die von deutschen Produktionen bis zu internationalen Erfolgen wie „Memento“ reichen.

Aber nicht nur private Unternehmen tummeln sich auf dem Markt. Hinter Flimmit steckt mit dem Österreichischen Rundfunk ein öffentlich-rechtlicher Sender. Bei mehr als 7 000 überwiegend deutschsprachigen Titeln legt das Portal seinen Schwerpunkt auf österreichische und europäische Produktionen. Die Filme können im Abonnement gestreamt, aber auch geliehen oder gekauft werden. Neben Erfolgsserien wie „Braunschlag“ ist hier die aktuelle Kinoproduktion „Die Blumen von gestern“ zu finden.

Wer streamt was?

In Deutschland ist solch ein Angebot, das von ARD und ZDF unter dem Namen Germany’s Gold geplant war, vom Bundeskartellamt vor vier Jahren untersagt worden. So können die deutschen Sender ihre Produktionen nur innerhalb der von der Politik durchgesetzten Befristung von sieben Tagen im Netz zur Verfügung stellen. Für die Zuschauer eine Einschränkung, und viele hoffen darauf, dass diese Regelung möglichst bald fallen werde.

Gerade erst gestartet ist Filmfriends, das Filmportal der öffentlichen Bibliotheken. Vorerst in der Versuchsphase nur für Kunden in Berlin, reicht der Katalog von deutschen Klassikern über anspruchsvolle Dokumentationen bis hin zu internationalem Arthouse-Kino und Kinderserien. Derzeit bietet die Online-Videothek, hinter der die Macher von alleskino stehen, rund 500 Filme und Serien an. Die Nutzung mit einem Ausweis der öffentlichen Bibliotheken ist kostenlos.

Diese vielen kleinen Anbieter ergänzen das Programm der großen Player und stellen für sie keine Konkurrenz dar. Aus diesem Grund hat Amazon im Mai für seine Kunden unabhängige Channels in sein Programm mit aufgenommen. Realeyz und Mubi können so bequem gegen eine monatliche Gebühr hinzugebucht werden. Für den Anbieter aus den USA erweitern sie das eigene Angebot, und die unabhängigen Plattformen erhalten einen leichten Zugang zu einem großen internationalen Publikum. Allein hierzulande gibt es 17 Millionen Amazon-Prime-Kunden, von denen die Hälfte das Streamingangebot nutzt.

So attraktiv die Angebote für die Zuschauer sind – die Vielzahl macht es dem interessierten Filmkenner schwer, sich zurechtzufinden. Hilfreich im Dschungel der Angebote sind die Internetseite werstreamt.es und die App Watchnow. Beide geben Auskunft, auf welchem Portal ein Film zu finden ist. Für das Arthousekino und die Klassiker des internationalen Films ist die Entwicklung vielversprechend. Der bequeme Abruf zu Hause kann dem anspruchsvollen Film neue Zielgruppen erschließen. Sogar ein internationaler Erfolg wie „Toni Erdmann“ hat in Deutschland nur knapp 900 000 Menschen ins Kino gelockt. Eine gleichzeitige Bereitstellung auf den Streamingplattformen könnte die Zahl der Zuschauer in Zukunft erheblich vergrößern.

Oliver Schütte

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