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Antiliberal. Alice Weidel, Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahl 2017, spricht jeder Form von Islam ab, mit dem Grundgesetz kompatibel zu sein.

© dpa/Wolfgang Kumm

AfD und Medien: Antifa ist nur ein Reflex

Wie medial umgehen mit der Alternative für Deutschland? Zu oft ersetzten und ersetzen Antifa-Reflexe die Auseinandersetzung mit den zentralen Begriffen der AfD. Ein Diskussionsbeitrag.

Journalisten sind gerne Mahner und Warner. Das dürfen sie auch sein, wenn sie sich dabei nicht dazu verführen lassen, alles, was jetzt ist, nur als Vorstufe für Schlimmeres zu begreifen. Das gilt auch für die Berichte über die in den Bundestag strebende Alternative für Deutschland (AfD). Weil sie immer mit dem sterilen Konstrukt operiert, einem homogenen Volk stünde eine korrupte Elite entgegen, die dieses Volk verrate, ist diese Partei mit dem Begriff „rechtspopulistisch“ richtig charakterisiert. Sie ist anti-pluralistisch und nationalistisch, aber eben keine neofaschistische Bedrohung.

Die AfD setzt auf Ausgrenzung, aber nicht auf Vernichtung. Sogar das Grundrecht auf Asyl hat sie noch in ihrem Programm stehen. Zu ihrem Wesen gehört aber auch, dass sie Brücken baut zu völkischen Positionen. Hier sind die aktivsten Mitglieder heimisch. Deren Kraft braucht die AfD zu jeder innerparteilichen Weichenstellung. Nur im Bündnis mit Björn Höcke konnte Frauke Petry den Parteigründer Bernd Lucke stürzen, nur mit dem Segen Björn Höckes konnte Alexander Gauland die amtierende Parteivorsitzende Frauke Petry auf dem vergangenen Parteitag an den Rand drängen.

Wer genau beobachten will, muss wissen, was er sucht. Darum brauchen auch journalistische Beobachter einen Begriff von der Partei, über die sie schreiben. Zu oft ersetzten und ersetzen Antifa-Reflexe die Auseinandersetzung mit den zentralen Begriffen der AfD wie „Volk“, „Nation“ oder „Identität“. Es ist berechtigt, gegen Neonazis einen cordon sanitaire zu bilden, alle Kräfte des „Verfassungsbogens“ zu bündeln, um sie zu isolieren, ihnen keine Bühne zu bieten.

Bernd Gäbler: AfD und Medien. Analyse und Handreichungen. Arbeitsheft 92 der Otto Brenner Stiftung. Frankfurt am Main 2017, 56 Seiten
Bernd Gäbler: AfD und Medien. Analyse und Handreichungen. Arbeitsheft 92 der Otto Brenner Stiftung. Frankfurt am Main 2017, 56 Seiten

© Repro: Tsp

Zur Debatte fordern, zur Konkretion drängen

Für die AfD gilt das Gegenteil: Man darf ihr nicht gestatten, sich als Opfer von Ausgrenzung zu inszenieren, muss sie zur Debatte fordern, zur Konkretion drängen, zum Beispiel nachhaken, wen AfDler denn als „Deutschen“ akzeptieren, warum denn der Zugang zu Waffen für „gesetzestreue Deutsche“ erleichtert werden soll, wie es ihr Programm fordert.

Das sollte man kennen. Immer wieder glauben Journalisten, die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sei eigentlich eine verirrte Liberale. Wer privat so unorthodox in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebe, könne doch nicht so rechts sein. Wie naiv! Alice Weidels Grundposition besteht darin, jedwedem Islam – keineswegs nur einem radikalen politischen Islamismus – abzusprechen, mit dem Grundgesetz kompatibel zu sein. Ein persönliches religiöses Bekenntnis einer Muslima oder eines Muslims ist also nie von der Religionsfreiheit geschützt. Das ist keine liberale Position, sondern eine der ethnischen Ausgrenzung.

Darum hat Alice Weidel auch kein inhaltliches Problem mit einem gemeinsamen Wahlkampf mit Björn Höcke. Trotzdem gibt es hier einen bemerkenswerten Unterschied, vielleicht sogar eine Bruchlinie: Höcke hat nichts gegen eine kämpferische Religion. „Der Islam ist nicht mein Feind“, bekennt er, „unser größter Feind ist die Dekadenz.“ Und nun soll er einmal präzise darlegen, was er alles für „dekadent“ hält. Es reicht also, anzuschauen, was ist, statt immer nur vor dem zu warnen, was noch kommen kann.

Was hilft, sind Präzision, Gelassenheit und Kritik

So ist auch Alexander Gauland nicht vorzuwerfen, er bezeichne Flüchtlinge als „Barbaren“, wie viele Medien das taten. Vorzuwerfen ist ihm aber, dass er den Niedergang Roms – davon redet er nämlich stets, wenn er von den Flüchtlingen und offenen Grenzen spricht – also des ersten Universalreichs der Menschheit – ganz simpel parallelisiert mit der Lage der Bundesrepublik im 21. Jahrhundert.

Auch im Umgang mit der AfD helfen also Präzision, Gelassenheit und Kritik. Es gelten die gleichen Regeln und Maßstäbe wie in der sonstigen Berichterstattung. Weder ist ein neuer, besonderer Journalismus nötig, noch geht es um Mut oder gar pathetische Gesten des Widerstands.

Bernd Gäbler: AfD und Medien. Analyse und Handreichungen. Arbeitsheft 92 der Otto Brenner Stiftung. Frankfurt am Main 2017, 56 Seiten.

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