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Ein Sender so vertraut wie die Couch zu Hause. Stammhörer mit ihren Gewohnheiten halten, neue gewinnen – den Spagat schlägt Radio Eins. Programmchef Robert Skuppin, Radio-Eins-Mann der ersten Stunde, will Sendungen auch in Bewegtbildern anbieten.

© obs

20 Jahre Radio Eins: Nur nicht zu erwachsen werden

Wie die RBB-Welle Radio Eins in 20 Jahren mit seinen Hörern älter geworden und dennoch jung geblieben ist. Und was für die Zukunft geplant ist.

Im Grunde ist das ja ein Menschheitstraum: Auf eine Lebenszeit wollen wir wiedererkennen können, was wir einmal gekannt haben. Es soll dabei aber nicht langweilig werden. Im Grunde ist damit das Phänomen Radio Eins beschrieben. Wenn eine der bemerkenswerteren Hörfunkwellen der Region in diesen Tagen 20 Jahre alt wird, dann ist das ja nicht einfach nur ein Jubiläum. Die Leute, die mit dem Sender-Motto „Nur für Erwachsene“ zwei Jahrzehnte älter geworden sind, sind jetzt ja noch erwachsener und bald nicht nur sehr erwachsen, sondern auch beinahe alt. Das Durchschnittsalter des Radio-Eins-Hörers ist in den vergangenen 20 Jahren um acht Jahre auf 41 gestiegen. Wie alt sollen die noch werden? Und: Wer holt die nachrückenden Spotify-Hörer, alle so Mitte 30, zum Radio?

Fragen für den Programmchef Robert Skuppin, der im schönen RBB-Radio- Backsteinhaus in Potsdam-Babelsberg sitzt. Wenn man dort die Augen schließt, Skuppins tönerne Stimme hört, fühlt man sich in die späten 1990er zurückversetzt, als sich Radiomacher um Helmut Lehnert, Robert Skuppin und Volker Wieprecht aufmachten, um mit ungewöhnlichen Sendestrecken, Morgenshows und Formaten aus der Fusion von Radio Brandenburg und SFB 2 heraus ein etwas anderes Radio auf die Beine zu stellen. Ein Programm, das sich erwachsen mit den Themen beschäftigt. Nicht brüllend, nicht immer humoresk. Gerade zu einer Zeit, wo die Privaten mit ihren formatierten Comedy-Sendern und Musikrotationsmaschinen durchstarten.

Katastrophaler Start 1997

Ein hehrer Ansatz. Der Start war katastrophal. „Während ganz Deutschland den Atem anhielt, weil Lady Di am Sonntag gestorben war, brachte Radio Eins in den Nachrichten Neuigkeiten zur Holzmesse in Leipzig“, erinnert sich Skuppin. „Ich dachte, ich fass’ es nicht. Damals gab es im Sender ein Ost- und ein Westlager. Es funktionierte gar nichts. Wir waren fast zwei Jahre lang ständig von der Einstellung bedroht. Helmut Lehnert hatte ja alle unter der Prämisse versammelt, endlich machen wir Radio mit Inhalt.“ Nur über den Inhalt gab es unterschiedlichste Auffassungen.

Irgendwie kriegte der Sender die Ost- West-Kurve. In den Nullerjahren räumte Radio Eins Preise ab. Auch, weil Berlin/Brandenburg abends in Musikspecials auf ungewöhnliche akustische Reisen geschickt und morgens von Wieprecht und Skuppin auf eine charmant-unterhaltsam-informative Weise geweckt wurde, die auch Deutschlandfunkhörer nicht abschreckt. Als Skuppin 2011 die Seiten wechselte, den Job des Programmchefs übernahm, standen andere Probleme an als das Ost/West-Ding.

Langjährige Hörer fragten sich: Hat sich bei Radio Eins der Ton geändert? Kann ich das noch wiedererkennen? Die Reichweite pendelte sich laut Radio-MA von 130 000 in Spitzenzeiten auf gut 100 000 Hörer pro Durchschnittsstunde herunter. Ja, es gab einen Generationswechsel bei Radio Eins, sagt Skuppin. „Damit hatte sicher ein Teil unseres Stammpublikums Probleme.“ Die Schuhe der erste Moderatoren-Generation um Anja Caspary, Stephan Karkowsky, Knut Elstermann, Jörg Thadeusz, Volker Wieprecht oder Skuppin waren und sind sehr groß. Auch für Nachfolger wie Sonja Koppitz, Max Spallek oder Silke Super, die vom jungen RBB-Sender Fritz oder von Privatsendern kamen. Gewöhnungsbedürftig.

Auf den 2014 überraschend verstorbenen Musikchef Peter Radszuhn folgte Anja Caspary. Es gab Änderungen an Formatuhr und Verpackung. Ein bisschen was ging ab vom Lack des RBB-Senders, um den die Region bundesweit beneidet wird – man muss nur mal durch Niedersachsen fahren und NDR 2 oder Radio ffn hören. Für manches, sagt Skuppin, hat Radio Eins plötzlich Prügel bezogen. „Wir bekommen Mails derart: ,Ich bin seit 20 Jahren Stammhörer, jetzt reicht’s mir.“ Skuppin musste feststellen: Hey, da werden gute, alten Zeiten beschworen, die ja gar nicht immer gut waren. Zum anderen aber auch: Stammhörerpflege ist wichtig. Für viele Menschen ist das Radioprogramm so unverrückbar wie die Wohnzimmereinrichtung. Denen kann nicht einfach die Couch rausgenommen werden. Sich selbst über die Jahre treu, als Sender unverkennbar zu bleiben und trotzdem weiter zu entwickeln – die Geschichte von Radio Eins steht für ein Problem, das viele „klassische“ Medien haben, angesichts der Konkurrenz von Facebook, Youtube und Spotify. Für die Werbung ist die klassische Klientel der Radio-Eins-Hörer – intellektueller, höheres Bildungsniveau, besser verdienend – allerdings immer noch sehr reizvoll.

Live-Geschichten weiterentwickeln

Radio Eins reagiert mit einer Strategie- Änderung. „Inhaltlich wollen wir die Live-Geschichten konsequent weiter entwickeln, mit Bildern auf weiteren Ausspielwegen, die Radio-Eins-Frühstrecke ins Fernsehen bringen oder zumindest online streamen“, sagt Skuppin. Dazu weiter Markenbildung mit Formaten wie TipiTalk, Parkfest, Soundcheck, schöner Party oder der Radioeins-Radioshow, die gerade für den Deutschen Radiopreis nominiert wurde.

Und was ist mit dem Alters-Problem? Nur für Erwachsene – wie lange kann das noch funktionieren? Die Vorzeige-Moderatoren Olli Schulz und Jan Böhmermann sind von Radio Eins zu Spotify gewechselt. Skuppin ist jetzt 53, hat einen frischen Fünf-Jahres-Vertrag. „Wir haben in Berlin 70-Jährige, die leben wie 30-Jährige. Und umgekehrt. Ich bin damals von Fritz weggegangen, weil ich mit Radio Eins die Möglichkeit habe, älter zu werden.“ Vielleicht gilt für Radio Eins das, was John Peel über die Band „The Fall“ gesagt hat: Stets anders, aber immer gleich. Gleich gut.

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