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Blick zurück. Der amerikanische Romancier Richard Ford befasst sich im Alter von 73 Jahren mit seinen Wurzeln - als Sohn von Jederfrau und Jedermann.

© Raul Arboleda/AFP

"Zwischen ihnen" von Richard Ford: Liebe vergeht nie

Mit dem zärtlich-berührenden Erinnerungsbuch „Zwischen ihnen“ errichtet Richard Ford seinen Eltern ein kleines Denkmal.

Als seine Mutter Edna 1981 starb, hatte Richard Ford seine Karriere als Schriftsteller schon begonnen und zwei Bücher veröffentlicht, den Südstaaten-Roman „Ein Stück meines Herzens“ und den Mexiko-Roman „Verdammtes Glück“. Großes Aufsehen erregte er damit nicht, was vielleicht ein Grund dafür ist, dass seine Mutter in den Jahren zuvor der Schriftstellerei ihres einzigen Sohnes skeptisch gegenüberstand und ihn oftmals fragte: „Wann suchst du dir endlich eine Arbeit und legst los?“ Ford versuchte sich denn auch nach ihrem Tod ein, zwei Jahre als Sportjournalist, schrieb schließlich seinen Roman „Der Sportreporter“, der 1986 seinen endgültigen Durchbruch als Schriftsteller bedeutete, und im selben Jahr zudem ein Porträt über seine Mutter, das jedoch nie veröffentlicht wurde.

Nun aber hat der inzwischen 73 Jahre alte amerikanische Schriftsteller es einerseits leicht überarbeitet und andererseits ergänzt mit einem Porträt seines Vaters Parker, der 1960 starb, da war Richard Ford sechzehn Jahre alt. „Zwischen ihnen“ heißt dieses kleine, berührende Erinnerungsbuch, das mit dem Vater beginnt und sich im zweiten Teil der Mutter zuwendet. Er habe explizit versucht, so Ford in einem Nachwort, den Leben beider Elternteile nichts Größeres, Nachhaltigeres abgewinnen zu wollen. Sie sollen „durch mein Schreiben einfach erkennbar werden als die zwei Menschen, die sie meiner Behauptung nach waren.“

Beide lernen sich 1927 kennen in Hot Springs, Arkansas, in der Mitte von Nirgendwo, in einem Hotel, in dem sie als Zigarrenverkäuferin arbeitet, und das er als Angestellter eines Lebensmittelladens beliefert. Sie ist 17, er 24, sie stammen aus unterschiedlichen Ecken von Arkansas, und müssen sich wohl sofort ineinander verliebt und erkannt haben, dass sie sich gut tun. Als er ein paar Jahre später einen Job als Vertreter für Wäschestärke bekommt, „eine Arbeit, die er liebte, die zu seinem entgegenkommenden Wesen passte“, so Ford, sind sie ständig auf Achse: „Das war ihr ganzes Leben. Auf Tour, ohne große Sorgen. Keine Kinder. Die Familie weit weg.“

Als Edna doch noch schwanger wird, wird 1944 Richard geboren

Es sind die dreißiger Jahre, die Jahre nach der großen Depression, und so wie Ford es beschreibt, muss es ein gutes Leben für seine Eltern gewesen sein, ein beide zufriedenstellendes. Auch weil es trotz des durchaus vorhandenen Kinderwunschs mit einem Baby zunächst nicht klappt, „es sperrte Vergangenheit und Zukunft sogleich aus“. Für die damaligen Verhältnisse sind sie späte Eltern, als Edna 1943 doch noch schwanger und 1944 Richard geboren wird. Sie lassen sich in Jackson, Mississippi nieder, dieses Mal in der Mitte seines mehrere Bundesstaaten umfassenden Arbeitsreviers, und von nun an beginnt ihr „kleinkalibriges“ Leben, das wohl ebenfalls kein schlechtes gewesen ist. Ford macht seine Eltern tatsächlich nicht bedeutsamer, als sie waren. Weshalb diese Erinnerungen vielleicht noch eine Spur zärtlicher, verständnisvoller geraten sind als ohnehin, völlig ohne Bitterkeit. Gerade auch im Fall des Vaters, des wegen seiner Arbeit als Vertreter oft Abwesenden, der er nach seinem frühen Herztod dann ganz konkret wurde.

„Zwischen ihnen“ ist das Porträt eines Jedermanns und einer Jederfrau, von zwei kleinen, unbedeutenden amerikanischen Leben. Von den historischen Zeitläuften werden diese zwar berührt, ökonomisch vor allem. Ansonsten aber hinterlässt die Geschichte kaum Spuren, etwa der Zweite Weltkrieg (für den der Vater zu alt war), etwaige Rassenunruhen, die turbulenten sechziger Jahre (im Fall der Mutter). Obwohl Ford diesen beiden Leben keine größere Dimension abgewinnen will, schafft er kraft seines schriftstellerischen Vermögens aus dieser Kleinheit, Unbedeutendheit, die ja letztendlich das Leben der allermeisten Menschen ausmacht, etwas Großes.

Ihre Charaktereigenschaften und die Liebe für den Sohn sollten festgehalten werden

Er errichtet ein kleines Denkmal, weil er überzeugt davon ist, dass die Herkunft seiner Eltern, ihre Charakterzüge, die Liebe, die sie füreinander und dann für ihren Sohn empfanden, es unbedingt verdient haben, festgehalten zu werden; ihre Eigenschaften, ihre ansonsten unsichtbaren Freuden, Mühen und Qualitäten. Von einem „Verlust“ spricht er einmal, hätte er das nicht getan. Und das macht Richard Ford mit Sätzen, die man manchmal zwei-, dreimal lesen muss, um sie mitunter auch dann nicht zu verstehen, etwa über das Zusammenspiel von Erinnerung, Schreiben und Leben. Und mit solchen, die man sich sofort herausschreiben möchte, wie das so häufig der Fall ist bei der Lektüre gerade der Frank-Bascombe-Romane. Zum Beispiel ein Satz über die Beziehung von Kindern zu älteren Eltern, der etwas Universelles hat, nämlich über die „unbestimmte Wahrnehmung“ dieser Kinder, wie er eines war, „dass da alles einem Ziel entgegenstrebt, dann die Erkenntnis, worum es sich unweigerlich handelt, und danach wenden wir unsere Aufmerksamkeit wieder dem zu, was gerade anliegt.“

Seine Eltern haben immer in der Gegenwart gelebt. Und Richard Ford hat fast vier Jahrzehnte nach dem Tod der Mutter in ihrer Vergangenheit und seiner eigenen mit diesen Eltern geforscht, stets in dem für ihn reizvollen Wissen, sie und ihr Dasein ohne ihn nie gänzlich kennengelernt zu haben. Von Liebe aber ist alles durchdrungen gewesen, das weiß Ford sicher, und schließlich sei es „die Liebe, die nie vergeht“. Schöner geht es nicht, und nachhaltiger auch nicht.
Richard Ford: Zwischen ihnen. Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert. Hanser Berlin, Berlin 2017. 144 S., 18 €.

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