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Der Historiker Eberhard Jäckel. Er starb mit 88 Jahren in Stuttgart, wo er viele Jahre die Professur für Neuere Zeitgeschichte innehatte.

© picture-alliance/ dpa/Bernd Weißbrod

Zum Tod von Eberhard Jäckel: Er hatte die Idee zum Holocaust-Mahnmal

Aufklärer, Homo politicus, Gentleman: Der engagierte Historiker und Hitler-Forscher Eberhard Jäckel starb mit 88 Jahren in Stuttgart. Ein Nachruf.

Bald drei Jahrzehnte ist es her, dass er die Idee in die Welt setzte und beharrlich für ein Holocaust-Mahnmal warb, ein Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Eberhard Jäckel gehört zu den Historikern, die sich nicht nur mit ihrem Werk, sondern auch mit ihrem Engagement nationale und internationale Reputation erwarben. Der 1929 in Wesermünde geborene Ingenieurssohn, der den Krieg als Kind und Jugendlicher erlebte und kurz in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet, hatte sich zunächst mit seiner Habilitation über Hitlers Frankreichpolitik und seinem 1969 erschienenen Haupt- und Standardwerk „Hitlers Weltanschauung“ einen Namen gemacht. Darin identifizierte er Hitlers Judenhass als politisches Movens und zog die Täter des „Dritten Reichs“ in die Verantwortung. Hitler habe von Anfang den Holocaust im Sinn gehabt, „er wusste, was er wollte“, so seine Überzeugung.

Seine profunde Kenntnis des Nationalsozialismus und seine Empathie für die Opfer veranlassten ihn auch dazu, seinem Kollegen Ernst Nolte im Historikerstreit von 1986 zu widersprechen und auf der Einzigartigkeit der Shoa zu beharren. Und er zog daraus die überaus konkrete Konsequenz, sich für ein Mahnmal im Herzen Berlins zu verwenden, gemeinsam mit Lea Rosh. 1999 beschloss der Bundestag, dass es gebaut werden solle, im Mai 2005 wurde Peter Eisenmans Stelenfeld eingeweiht.
Eberhard Jäckel, der in Deutschland, den USA und Paris studierte und von 1967 bis 1999 als Professor an der Universität Stuttgart in der Nachfolge Golo Manns arbeitete, hat oft erzählt, dass er erst nach dem Krieg begriff, welche Verbrechen die Deutschen begangen hatten. Die Lektüre von Eugen Kogons „Der SS-Staat“ nannte er sein Bildungserlebnis. Sein Historiker-Credo lautete, es sei die Aufgabe seiner Zunft, „das Gedächtnis der Gesellschaft, das ja sehr zweifelhaft ist, immer wieder zu korrigieren und der Gesellschaft und der Öffentlichkeit ein überprüftes Bild der Vergangenheit darzubieten“.

Jäckel bewunderte Willy Brandt, engagierte sich auch in der SPD

Dass auch ein Meister seines Fachs nicht unfehlbar ist, hat er selbst schmerzlich erlebt. In seine 1980 erschienene Sammlung von Hitlers Frühschriften hatte er auch 76 gefälschte Quellen aufgenommen, sie stammten von Konrad Kujau. Beim Skandal um die Hitler-Tagebücher gehörte er anfangs zu den Begeisterten, dann zu den Zweiflern.
Der Akademiker als selbstkritischer Aufklärer, als medienversierter homo politicus. Ein Gentleman, sagen die, die ihn kannten. Immer wieder intervenierte Jäckel öffentlich. Er bewunderte Willy Brandt, trat in die SPD ein und unterstützte mit Günter Grass immer wieder deren Wahlkampf. 1990 realisierte er gemeinsam mit Lea Rosh den TV-Vierteiler „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Und er mischte sich 1996 in die Goldhagen-Debatte um „Hitlers willige Vollstrecker“ ein, kritisierte sie als Rückfall in primitive Stereotypen.
Am Dienstag ist Eberhard Jäckel mit 88 Jahren in Stuttgart gestorben. Mit ihm verliert die Bundesrepublik einen ihrer wirkungsvollen Streiter für die Erinnerung, so die Stiftung des Holocaust-Mahnmals, deren Kuratorium er angehörte. Er wird fehlen, so auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters, als unermüdlicher Mahner und empathischer Anwalt der Opfer.

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