zum Hauptinhalt
Jonathan Demme gewann für "Das Schweigen der Lämmer" den Oscar für die beste Regie.

© Todd Willamson/dpa

Zum Tod des Regisseurs Jonathan Demme: Exzentriker mit Gewissen

Jonathan Demme schuf die Popikone Hannibal Lecter und drehte den ersten Hollywoodfilm über Aids.

Von Andreas Busche

Ein Monster wie Hannibal Lecter konnte nur er erschaffen. Als Jonathan Demme für den Serienkiller-Bestseller „Das Schweigen der Lämmer“ als Regisseur angeheuert wurde, war seine Besetzung ein bewusstes Anti-Typecasting. Bis dahin hatte er sich mit skurrilen Komödien wie „Melvin and Howard“ oder dem durchgeknallten Roadmovie „Gefährliche Freundin“ einen Namen gemacht, Musikfans verehrten ihn für seinen Konzertfilm „Stop Making Sense“ mit den New Yorker Artpunks The Talking Heads. Doch schon in der Schule des rustikalen B-Movie-Produzenten Roger Corman galt Demme als Regisseur mit human touch, ob er nun Frauengefängnisfilme oder Truckerkomödien drehte.

Kein Autorenfilmer

Mit „Das Schweigen der Lämmer“ gewann er 1992 den Oscar, es war sein Durchbruch. Ein Monster wie Lecter hatte man im Kino bis dahin nicht gesehen: kultiviert, humorvoll, sadistisch. Demme war kein Autorenfilmer, schon unter Corman hatte er gelernt, dass der Regiejob zu 40 Prozent aus Kunst und zu 60 Prozent aus Geschäftssinn besteht. „Ich bin ein Regisseur, den man anheuert, kein großer Entwickler eigener Projekte“, hat er mal über sich gesagt. Trotzdem loteten seine besten Filme immer auch eine gesellschaftliche Dimension aus.

„Philadelphia“, sein anderer großer Erfolg, war 1993 der erste Hollywoodfilm, der die Immunschwächekrankheit Aids behandelte, ein Thema, das in der amerikanischen Öffentlichkeit damals noch vorurteilsbehaftet war. Auch dank Demmes Film wurde die Krankheit in den neunziger Jahren nicht mehr nur als idsProblem einer gesellschaftlichen Randgruppe wahrgenommen. Demme war es stets wichtig, dass seine Filme etwas über Amerika erzählen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Musik war seine Leidenschaft

Sein weitgehend unterschätztes Remake des Paranoiaklassikers „The Manchurian Candidate“ erschien 2006 auf dem Höhepunkt der Irakkrieg-Proteste und war als deutliche Kritik an der Politik der Bush-Regierung zu verstehen. Parallel dazu engagierte Demme sich mit Dokumentarfilmen, etwa über den Menschenrechtsaktivisten Jean Dominique, die Opfer des Hurrikan Katrina und den ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter. Späte Anerkennung fand er noch einmal mit der sympathischen Familienkomödie „Rachels Hochzeit“, die wieder an seine frühen Independentfilme anknüpfte.

Aber Demmes große Leidenschaft blieb immer die Musik. Nachdem es in den vergangenen Jahren ruhiger um ihn geworden war, widmete er sich wieder seiner Lieblingsdisziplin, dem Konzertfilm. Neil Young spielte eigens für „Heart of Gold“ zwei stimmungsvolle Live-Sets in Nashville ein, in der harmlosen Musikkomödie „Ricki – Wie Familie so ist“ legte Meryl Streep einen denkwürdigen Auftritt als alternde Röckröhre hin. Schon während der Dreharbeiten verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, 2015 wurde bei Demme Krebs diagnostiziert. Sein Konzertfilm mit Justin Timberlake sollte sich als sein Vermächtnis erweisen. Jonathan Demme, der exzentrische Humanist Hollywoods, starb am Mittwoch mit 73 Jahren.

Zur Startseite