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Weltgeschichte für junge Leserinnen: Frauen in der Geschichte - das Ende der Minderwertigkeit

Ute Daenschel und Kerstin Lücker erinnern an Frauen, die Geschichte schrieben

Catherine Morland findet Geschichte langweilig. „Fast keine Frauen dabei“, so erklärt die 17-jährige Protagonistin von Jane Austens Roman „Northanger Abbey“. Selbst mehr als 200 Jahre später scheint sie recht behalten zu haben. Wer kennt schon Ada Lovelace, die das erste Computerprogramm schrieb, oder Margaret Hamilton, die den Code für die erste amerikanische Mondlandung programmierte? Warum wissen die meisten abseits von populären Figuren wie Kleopatra und Jeanne D’Arc so wenig über diese Frauen? Gibt es einfach zu wenige von ihnen? Blödsinn, sagen Ute Daenschel und Kerstin Lücker und erzählen eine „Weltgeschichte für junge Leserinnen“.

Oft wurde die Existenz dieser Frauen unterschlagen oder die Erinnerungen an sie bewusst ausgelöscht. Von Heiligen wie Nino oder Junia wurde behauptet, sie seien Männer gewesen, Texte weiblicher Verfasserinnen wurden zum Teil nicht abgeschrieben. Es gibt Briefwechsel, von denen der Text des männlichen Autors noch vorhanden ist, der weibliche Part aber vernichtet oder nicht abgeschrieben wurde. Eine Frau jenseits von Haus und Herd blieb unerwünscht. In Anlehnung an Ernst Gombrichs Jugendsachbuch „Eine kurze Weltgeschichte für junge Leser“ erzählen Lücker und Daenschel in ihrer Version deshalb vor allem von ihnen: den vergessenen Frauen.

Dabei zeigen sie, dass sich Ungerechtigkeit gegen Frauen nie auf die graue Vorzeit, religiöse Fanatiker oder verzweifelte Machos beschränkte: Ein misogyner Faden zieht sich durch die Weltgeschichte. Selbst zu Zeiten des Humanismus, der Aufklärung oder der Französischen Revolution, in denen Werte wie Vernunft und Menschenrechte hochgehalten wurden, blieben sie auf den Mann beschränkt. Freiheit und Gleichheit gab es ausschließlich innerhalb der Brüderlichkeit. Schwestern unerwünscht.

Für die Minderwertigkeit der Frauen, die viele große Denker von Platon bis Rousseau über die Jahrhunderte hinweg betonten, fand man immer neue Begründungen. Das Buch beschreibt, wie im Christentum der Sündenfall angeführt wurde – verschuldet von einer verführbaren, leichtsinnigen Eva.

Die Aufklärer brauchten ein säkulares Argument und besannen sich auf die Natur, in der die Frau schließlich zum Kindergebären vorgesehen war. Besser also, dass sie zu Hause bleibt. Und immer wieder stellte selbst die Wissenschaft die Mangelhaftigkeit der Frau fest: Aristoteles kam zu dem Schluss, Frauen seien dümmer, weil ihnen Hitze fehlt. Jahrhunderte später entdeckte ein deutscher Forscher, der Mangel an Intelligenz liege angeblich am leichteren Gehirn.

Frauen, die sich über alle Hindernisse hinwegsetzen

Eine umso ermutigendere Wirkung entfaltet das Buch, wenn es um den erfreulichen Teil der weiblichen Weltgeschichte geht: denn das Buch rückt immer wieder die vielen Frauen in den Mittelpunkt, die sich über alle Hindernisse hinwegsetzten. Frauen wie Christine de Pizan, die als erste Schriftstellerin schon um 1400 kein männliches Pseudonym mehr nutzen wollte, sondern „Ich, Christine“ schrieb und ihre scharfe Feder verwendete, um öffentlich gegen die ungerechte Behandlung von Frauen zu wettern. Oder die Schriftstellerin Olympe de Gouges, die um 1800 die erste Schrift veröffentlichte, in der sie Menschenrechte für alle ausrief – Frauen inklusive.

Es geht um die Suffragetten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts für das Wahlrecht der Frauen erkämpften, und um die Frauen der „Woman’s Strike for Peace“-Bewegung. Die ermutigende Botschaft des Buchs: Es gab sie immer, die Dichterinnen, Forscherinnen, Aktivistinnen und Denkerinnen, die die Welt veränderten. Es geht nicht um den moralischen Fingerzeig oder das Spiel Männer gegen Frauen. Es wird von Männern erzählt, die die Frauenbewegung unterstützten und genauso von Frauen, die durch ihr Nichtstun nicht sonderlich dazu beitrugen, den Status quo zu verändern.

Eine Weltgeschichte zu erzählen, ist immer ein heikles Unterfangen, wissen die Autorinnen. „Die Geschichte ist immer nur eine Geschichte von vielen“, so Ute Daenschel. Je nachdem, worauf man ein Schlaglicht wirft, rücken andere Geschehnisse in den Schatten. Darum ging es auch den Autorinnen: Fragen aufzuwerfen, indem sie die Weltgeschichte um eine ihrer vielen vergessenen Teile ergänzen – in diesem Fall um den weiblichen.

„Das Frauenthema ist kein Frauenthema, sondern ein Menschheitsthema“, sagt Lücker. Deshalb ist das Buch für Jungen genauso gedacht wie für Mädchen. Und was für Kinder gut ist, kann auch den Eltern nicht schaden. Jane Austins Romanfigur Catherine Morland jedenfalls hätte die „Weltgeschichte für junge Leserinnen“ gefallen.

Ute Daenschel, Kerstin Lücker: Weltgeschichte für junge Leserinnen. Kein & Aber Verlag, Berlin 2017. 528 Seiten. 25 €. Ab zwölf Jahren

Weitere Rezensionen finden Sie auf unserer Themenseite.

Nina Raddy

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