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Widerspenstig: Früher die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte, jetzt die Volksbühne Berlin.

© picture alliance / Paul Zinken/d

Volksbühne: Nach der Räumung: Berlin wurde noch ein paar Grade attraktiver

Nach der Volksbühnenbesetzung: War diese bloß ein einziges Spektakel? Oder vermag sie es, die Gentrifizierungsdebatte neu zu entfachen?

Als Christophe Knoch, der Sprecher der Freien Szene Berlin, vergangene Woche im rbb Kulturradio zur Besetzung der Volksbühne befragt wurde, betonte er nicht nur, wie „spannend“ und richtig er die Besetzung und die politischen Anliegen der Gruppe „Staub zu Glitzer“ finde, sondern dass auch international die Entwicklung am Rosa-Luxemburg-Platz mit viel Interesse verfolgt werde, von Warschau, wo Knoch sich gerade aufhielt, bis New York, wo die „New York Times“ ihre Leserschaft über die Ereignisse in Berlin informiert. „Activists Occupy Volksbühne Theater in Berlin as Conflict Widens“, hieß es dort vor ein paar Tagen.

Tatsächlich dürfte nun, nachdem die Besetzung am Freitag durch einen Polizeieinsatz beendet wurde, die Stadt Berlin noch einmal um einige Grade attraktiver geworden sein. Es werden sich also vermutlich noch mehr junge und kreative Menschen aus aller Welt auf den Weg machen, um hier zu arbeiten, sich wenigstens eine gute Zeit zu machen, vielleicht gar zu bleiben. Denn wo gibt es das schon, dass man ein Theater für fast eine Woche einfach mal so besetzen und mit politisch-künstlerischen Aktivitäten bespielen kann – und dafür so einiges an Verständnis bei der Intendanz des Hauses wie bei der lokalen Politik findet, bis hin zu dem Angebot, randständige Teile des Hauses nutzen zu dürfen?

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Besetzung, diese von den Medien aufmerksamst verfolgte „transmediale Theaterinszenierung“, die sich weniger gegen den neuen Volksbühnen-Intendanten als vielmehr gegen ein Berlin „des Standortmarketings, der Investitionsanreize, der sozialen Ausgrenzung, der Abschiebungen, der Gentrifizierung“ richtete, dass selbst diese Aktion der Gentrifizierung einen weiteren kleinen Schub bescheren könnte. Denn weitere Sympathisanten, weitere angehende Künstler, weitere Touristen, die durch die Volksbühnenbesetzung angelockt wurden, werden das ach so „spannende“ Berlin naturgemäß in diese Richtung verändern, werden Stadtviertel aufwerten, siehe beispielsweise Neukölln, werden sie teurer und für Alteingesessene unbewohnbarer machen.

In ihrer Umgebung wirkt die Volksbühne wie eine antikapitalistische Trutzburg

Die Volksbühne als Ort einer Besetzung, die primär Stadtentwicklungs- und Gentrifizierungskritik üben wollte, ist vor diesem Hintergrund nicht nur deshalb ideal, weil um sie seit zwei Jahren ein Kulturkampf tobt, sondern weil sie überdies in einer durch und durch gentrifizierten Gegend beheimatet ist.

So mögen in ihrem Rückraum das Parteihaus der Linken und das Gebäude der „Jungen Welt“ noch eine gewisse ideologische Nähe haben – aber aber allein das ebenfalls nicht weit entfernte SoHo-House sowie die Bar 3 mit ihrem angeschlossenen Restaurant sind Tummelplätze genau jener Galerien- und Kunstszene in August-, Gips- und Linienstraße, in der das Geld eine viel größere Rolle spielt als womöglich politisch-emanzipative Kunst. Diese Szene ist ausschließlich privatwirtschaftlich und finanzkapitalistisch organisiert0 (im Gegensatz zur Volksbühne).

Selbst die lange Zeit noch ziemlich trashige Rosa-Luxemburg-Straße wandelt sich mit ihren Cafés und Restaurants zunehmend zu einer ausschließlich touristischen Flaniermeile, und dann entsteht an einer anderen Ecke hinter der Volksbühne noch das brandneue, mehrstöckige Gebäude des Suhrkamp Verlags, das nolens volens den Gentrifizierungsdruck weiter erhöhen dürfte. Noch ein Café mehr, noch intensiverer intellektuell-künstlerischer Verkehr, ein weiterer Ort, an dem sich die Bewohner und Bewohnerinnen, sagen wir, der alten Plattenbauten in der Karl-Liebknecht- oder Torstraße nicht unbedingt wiederfinden werden – und der nur einer sehr speziellen Öffentlichkeit vorbehalten sein wird.

Die Volksbühne wirkt in dieser Umgebung nicht nur wegen ihrer Architektur wie eine Trutzburg, durchaus wie ein Ort der Widerspenstigkeit, Und wenn dann an der Leipziger Straße wieder ein neues Hotel aufmacht, wenn ein Laden wie die Bar Babette an der Karl-Marx-Allee in den Besitz eines Nicolas Berggruen wandert und nur noch geschlossenen Veranstaltungen Platz bieten wird, mag man zumindest in dem politischen Anliegen der Theaterbesetzung schon eine Notwendigkeit sehen. Doch so diffus mitunter die Gentrifzierungsdebatte verläuft, so diffus war letztendlich die gesamte Besetzungsinszenierung. Fragt sich halt noch: War die vergangene Woche an der Volksbühne wirklich mehr als nur ein interessantes, spannendes, Berlin noch attraktiver machendes Spektakel?

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