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Überfluss-Genuss: Der Abfallthriller

Beim Kulinarischen Kino kochten Schüler ein Menu aus abgelaufenen Zutaten. Im Gropiusbau gab es dazu die Weltpremiere von "Taste the Waste".

Kann man aus Lebensmitteln, die für den Müll bestimmt waren, ein Gourmet- Menü zubereiten? Das geht tatsächlich. Unter der Regie von Sterne-Koch Michael Hoffmann zauberten acht Schülerinnen und Schüler im „Gropius Mirror“ am letzten Tag der Berlinale-Sektion „Kulinarisches Kino“ ein furioses FinaleMenü. Die Zutaten daraus stammten aus einer Spende für die Berliner Tafel, die in Supermärkten und Restaurants für Bedürftige jährlich 10 000 Tonnen noch verwendbarer Lebensmittel sammelt, die sonst weggeworfen würden.

Zuvor hatten sich rund 70 Schüler von der Gustav-Langenscheidt-Oberschule, dem Heinz-Berggruen-Gymnasium und der Droste-Hülshoff-Oberschule im Gropiusbau die Weltpremiere des Dokumentarfilms „Taste the Waste“ angeschaut.

Regisseur Valentin Thurn erzählte, dass seine Kinder den Titel mit „Schmeck den Dreck“ übersetzen, dass er aber tatsächlich vielschichtiger sei, weil „Waste“ auf Englisch gleichzeitig „Abfall“ und „Verschwendung“ bedeutet. Schon während des Films, der im Herbst in die Kinos kommt, fingen die Schüler an zu diskutieren. Was es bedeutet, dass allein in Deutschland auf dem Weg vom Acker zum Teller über zehn Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden, wird teils drastisch und mit Thriller-Musik untermalt gezeigt. Auch aus anderen Gegenden der Welt werden Verschwendung und die Alternativen dazu gezeigt, aus Paris und Tucson, Tokio und New York. Müllforscher kommen ebenso zu Wort wie Bauern und Bäcker. Eine Arbeiterin aus Kamerun, die in Frankreich unverkäufliche Lebensmittel aussortiert, verliert ihren Job, weil sie ihn nicht mehr aushalten kann und immer an Familienmitglieder in Afrika denkt, die sich niemals Fleisch und selten Bananen leisten können: „Und hier wird das einfach weggeworfen!“.

„Wir wussten das alles nicht und waren schockiert über die Gründe, weswegen Sachen weggeschmissen werden“, sagte die 14-jährige Mathilde im Anschluss. „Ich habe mir vorgenommen, im Supermarkt demnächst auch mal Sachen zu nehmen, die andere nicht so wollen“, ist das Fazit, das die 13-jährige Divine mitgenommen hat. Am Ende hagelte es Fragen von den Kindern an die anwesenden Experten unter anderem von Slow Food, Greenpeace und dem Youth Food Movement. „Wieso darf man in Japan Lebensmittelabfälle an Schweine verfüttern und in Deutschland nicht?“, wollte Paula wissen. Valentin Thurn verwies auf neue Richtlinien, die aus der Angst vor BSE entstanden seien, aber auf Dauer keinen Bestand haben könnten. Charlotte konnte nicht verstehen, warum Supermärkte den Bäckermeistern drohen, wenn sie ihre Regale nicht bis Ladenschluss gefüllt haben. Auf Freyas Frage, was man tun kann, damit nicht so viel weggeworfen wird, sagte Kochaktivist Wam Kat: „Kauf’ nicht so viel ein“. Tafel-Gründerin Sabine Werth warb dafür, sich mehr auf die Sinne zu verlassen, als aufs Mindesthaltbarkeitsdatum.

Küchenstar Michael Hoffman baut inzwischen sein eigenes Obst und Gemüse in einem Garten in Brandenburg an, hat für den Winter 5000 Einweckgläser gefüllt. „Die Kinder haben sich sensationell gut angestellt“, lobte er sein junges Team. Zu essen gab es im Anschluss an die lebhafte Diskussion Mediterranes Popcorn, „Glücksspiralen mit Sugo aus Zufallsgemüse“, leckere Pasta mit Tomaten, Kürbis, Eisbergsalat, Rucola und einem Hauch Amarettinibröseln und als Dessert frischen Obstsalat mit Minze.

Berlinale-Chef Kosslick war dieser Film so wichtig, dass er zum Gruppenfoto mit den Schülern vorbeischaute und sich vorstellte: „Ich bin der Dieter Koch-lick“. Elisabeth Binder

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