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Gelobtes Land. Fotoporträt aus Zielonys Serie "The Citizen" von 2014.

© Galerie KOW

Tobias Zielony und Hiwa K in der Galerie KOW: Kaleidoskope globalisierter Biografien

In der Galerie KOW: Tobias Zielony gibt Verfolgten mit seinen Bildern eine Stimme und Hiwa K zeigt Aufnahmen von Tänzen im Militärgefängnis.

Die beiden Ausstellungen in der Galerie KOW ergänzen sich bestens: Tobias Zielonys Neuinterpretation seines Fotozyklus für den Deutschen Pavillon der Venedig-Biennale 2015 und die erste deutsche Einzelschau von Hiwa K aus Berlin, auch er im vergangenen Jahr Teilnehmer in Venedig. Beide Künstler verhandeln die Selbstbefreiung von Menschen, die unter Diktatoren, Kriegen oder dem Klimawandel zu Objekten wurden, sich jedoch neu als Subjekte erfinden. Zielonys Fotos, Texte und Filme im Untergeschoss sowie Hiwa K’s Plastiken und Filme oben ergeben ein poetisches Kaleidoskop von globalisierten Biografien.

Vertraut sehen zunächst Zielonys Tableaus zur Geschichte des Palais am Festungsgraben aus, die er bereits 2015 im Maxim-Gorki-Theater zeigte, ebenso seine Porträts von Geflüchteten, die in Hamburg ankamen oder in Berlin gegen die Residenzpflicht demonstrierten. Dennoch wirken die Arbeiten neu: Wie Mahnmale thronen die Aufnahmen nun an der hohen Wand. Gebrochen wird ihr Pathos durch Zeitungsstapel mit Reprints jener Artikel, die zu Zielonys Fotos in Herkunftsländern der Porträtierten erschienen. Die Texte reichen von Mahnungen zum Bleiben bis zu einem Essay von Kunle Ajibade: Der Redakteur von „The News Nigeria“ fordert, in den Millionen von Flüchtlingen Individuen zu sehen, denn erst diese Sicht ermögliche es, die „Komplexität und Widersprüche des Lebens“ zu verstehen.

Eine Bühne für das Recht auf freie Rede

Ajibades Plädoyer könnte auch unter Hiwa K’s Beitrag stehen. Der Film „Moon Calendar“ von 2007 zeigt den Künstler, wie er in einem ehemaligen Militärgefängnis im Irak Stepptanz probt – im Rhythmus seines Herzens, dessen Schlag er über ein Stethoskop hört. „This Lemon Tastes of Apple“ zeigt eine Intervention des Künstlers im Irak auf einer Kundgebung 2011, kurz bevor dort die kurdischen Proteste niedergeschlagen wurden. Gemeinsam mit einem Musiker intoniert er „Spiel mir das Lied vom Tod“ aus Sergio Leones Western, bis die Demonstranten vor Tränengas und Einsatzkräften fliehen müssen.

Die Filme erweisen sich als Einführung in ein Ensemble, das sich ein Geschoss tiefer in der Galerie befindet. Hiwa K hat hölzerne Trittleitern mit Geigen, Trommeln, Becken, Verstärkern, Kabeln und Mikrofonen in mehr oder weniger funktionale Rednerpodeste verwandelt. Sie gleichen beseelten Wesen und offenbaren – zerkratzt, verletzt oder auch komisch verdreht – ihre widersprüchlichen Möglichkeiten. Sie könnten ebenso als Treppe zu einem Galgen dienen wie als Bühne für Menschen, die ihr Recht auf freie Rede wahrnehmen wollen.

KOW, Brunnenstr. 9, bis 12.6.

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