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Anstoßen bitte, gleich gibt's Turbulenzen: Patricia Clarkson, Emily Mortimer, Cillian Murphy und Timothy Spall (v.r.) in "The Party".

© Adventure Pictures Limited

"The Party" im Berlinale-Wettbewerb: Ein schneller böser Spaß

Sally Potters Schwarz-Weiß-Boulevardkomödie „The Party“ macht Laune bei den Filmfestspielen. Es brillieren: Kristin Scott Thomas, Patricia Clarkson, Bruno Ganz....

Ach ja, die europäische Linke. Vor lauter Brexit, AfD und Populisten von Le Pen bis Trump weiß sie gerade nicht recht weiter, allen SPD-Höhenflügen zum Trotz. Man fegt die Scherben der eigenen Ideale zusammen, tut sich selbst ein bisschen Leid und könnte jeden Tag heulen mit Blick auf die verrottete Welt.

Eine gute Gelegenheit, mag sich die britische Regisseurin Sally Potter gedacht haben, um eine beißende Komödie in eigener Sache zu drehen, Schwarz-Weiß, Screwball, mit Pointen auf Messers Schneide. Schließlich gehört das Lachen zur Demokratie, dieser anarchische Moment der Selbsterkenntnis, ohne dass man dabei gleich die eigene Haltung über Bord wirft. Hässliche Zeiten sind gute Zeiten für Boulevard.

Philosophische Sentenzen über linke Dogmen und die rechte Moral

Janet (Kristin Scott Thomas) hat den Gang durch die Institutionen geschafft und sich an die Macht gekämpft, sie wird Gesundheitsministerin. Das muss gefeiert werden. Sie steht in der Küche, ständig klingelt das Smartphone, alle gratulieren, und an der Haustür klingeln die engsten Freunde. Die Männer werden ins Wohnzimmer entsorgt, Janets Gatte Bill (Timothy Spall) legt alte Scheiben auf, Rock’n’Roll, Jazz, Salsa, Reggae, die ganzen Klassiker der Popmoderne, ein Altlinker im abgewetzten Ledersessel. Gottfried, der deutsche Freund (Bruno Ganz), gibt dabei philosophische Sentenzen über linke Dogmen und die rechte Moral zum Besten, die seine Frau April mit derart brillanten Zynismen pariert, dass man sich Darstellerin Patricia Clarkson ab sofort beruflich wie privat als Komplizin bei Gefechten aller Art wünscht, nicht nur bei Frauen- und Männerfragen.

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Wie sagt es April? Wir befinden uns im postpostfeministischen Zeitalter – kein Wunder, wenn die lesbischen Freundinnen (Cherry Jones, Emily Mortimer) die Neuigkeit verkünden, dass sie Drillinge erwarten. Wenn selbst Denis Thatcher und Prinz Philip es geschafft haben, im Schatten ihrer Frauen zu leben, sollte der Ex-Prof Bill mit der Karriere seiner Gattin bitteschön klarkommen, so April weiter im sich rasch hysterisierenden Schlagabtausch. Als dann noch der hyperventilierende Banker Tom (Cillian Murphy) auftaucht, Ehemann von Janets engster Mitarbeiterin Marianne (die große Abwesende in diesem nur 71-minütigen Film!), als er im Bad nicht nur kokst, sondern auch noch mit einer Pistole herumfuchtelt, ist klar: Gefühle müssen raus, und gleich geht es um Leben und Tod.

Sally Potters Motto: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst

Nach „The Dinner“ aus Amerika „The Party“ aus England: Zwei Ensemble-Kammerspiele, zwei Sittengemälde, zwei eskalierende theatrale Settings. Oren Movermans Motto: Die Lage ist ernst, aber auch hoffnungslos. Sally Potters Motto: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.

Extreme Tempi für extreme Zeiten? Das macht sich gut.

Die 67-jährige Regisseurin schaut in ihren Filmen seit jeher besonders den Frauen tief in die Augen, in historischen, autobiografischen, poetischen, experimentellen Werken wie „Orlando“, „The Tango Lesson“ oder „Rage“. Wobei sie ihre Solidarität auch in „The Party“ nicht aufkündigt. Zum Beispiel halten es die Männer einfach mal wieder nicht aus, wenn die Frauen im Mittelpunkt stehen. Weshalb der abgehalfterte Bill mit gleich zwei dramatischen Neuigkeiten die Aufmerksamkeit von seiner erfolgreichen Frau auf sich lenkt. Und die Komödie eskaliert zur Farce.

Ganz schön riskant von Festivalchef Dieter Kosslick, Potter gleich nach Thomas Arslan zu programmieren, den schnellsten Wettbewerbsfilm nach dem langsamsten (siehe S. 21). Aber vielleicht stehen diesen Zeiten extreme Tempi gut an. Potter setzt auf Turbulenzen, auf Panik und Kollision, Küchenchaos und schrill piepsende Rauchmelder, mitunter aufs Chargieren. Die Verlogenheit der Mittelschicht, die Moral der Intellektuellen, die ewig aktuellen Frauen- und Genderdebatten, die Heimlichtuereien einer vermeintlich offenen Gesellschaft, der Finanzhai gegen die ach so kultivierten Büchermenschen, Geld oder Geist, all das wirbelt Sally Potter wild durcheinander. „The Party“ ist vor allem: ein schneller, böser Spaß.

14.2., 12 Uhr und 20 Uhr (Friedrichstadt-Palast), 12.30 Uhr (HdBF), 19.2., 14.45 Uhr (Berlinale Palast)

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