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Singer/Songwriter: Rein in die Mitte

"Out Of The Game": Rufus Wainwright präsentiert sein siebtes Studioalbum. Als Verpackungskünstler hat sich diesmal Produzent Mark Ronson die 12 Songs vorgenommen.

Von Gregor Dotzauer

Anfang der siebziger Jahre, als die Popmusik noch jung war und Rufus Wainwright gerade das Licht der Welt erblickt hatte, schrieben seine Helden ihre besten Songs. Elton John veröffentlichte mit „Don't Shoot Me I'm Only The Piano Player“ und „Yellow Brick Road“ Alben, deren Stücke noch nicht als Greatest Hits in Megahallen reanimiert werden mussten. Und Freddie Mercury stemmte glitzernde Rockarien, lange bevor Queen auch in Ballermannkreisen mitgrölende Freunde fand. Wie man heute an diesen Punkt der Unschuld zurückkehrt, ohne in Nostalgie zu baden, hat Wainwright von Anfang seiner Weltkarriere an umgetrieben. Mit seinem vor 11 Jahren veröffentlichten Geniestreich „Poses“ hat er darauf früh eine Antwort gefunden und seinen theatralischen Kreisch-und-Knödel-Bariton an Popoperetten in Pillenform ausprobiert, die in ihrem vaudevillehaften Camp-Gestus nicht ihresgleichen hatten.

Jetzt, mit 38 Jahren ziemlich genau in dem Alter, das seine Vorbilder damals hatten, ist er bei seinem siebten Studioalbum angekommen und seinerseits auf dem Weg zur Legende. „Out Of The Game“ ist ein retrofuturistisches Unternehmen, dessen 12 Stücke sich im gleichen Maß bei den Sounds der Mittsiebziger bis Frühachtziger bedienen, wie sie diese über alles Zitathafte hinaus in etwas Neues verwandeln wollen. Das liegt diesmal weniger an Rufus selbst, der sich gerne zugute hält, dass ihm Judy Garland ebenso nah sei wie Kurt Weill und das Belcanto des 18. Jahrhunderts. Es liegt vor allem an Mark Ronson, der als Produzent Amy Winehouse und Adele großgemacht hat - und nun den Ruf von Rufus so erschallen lassen will, dass er selbst in Boutiquen problemlos durchgeht. „Out Of The Game“ sollte Wainwrights poppigste Platte werden.

Wo früher Pierre Marchand und Marius de Vries fein ziselierte symphonische Arrangements spendierten, da gesellen sich zu Wainwrights schläfrigem Schmelz bei Ronson nun synthetische Farben: Discoreminiszenzen in „Barbara“ oder Steinzeitsynthesizer in „Bitter Tears“. Es gibt aber auch die blechglänzende Easy-Listening-Veredlung von „Welcome To The Ball“, Country- und Gospelfirnis, den Klang von Akkordeon und Dudelsack und jede Menge Background-Schubidu. Ronson ist ein Verpackungskünstler, der jedem Stück sein eigenes Schleifchen aufbindet und doch dem Ganzen eine seltene Geschlossenheit verleiht, indem er Drummer Homer Steinweiss die einzelnen Nummern in solidem Midtempo durchknüppeln lässt.

Wer Wainwright zum ersten Mal hört, ist möglicherweise hin und weg. Wer ihn aber kennt, der begegnet, sobald man Ronsons produzentisches Wunderwerk einmal abgezogen hat, nichts als Wiederholung. Keine Melodie, die er nicht ähnlich gesungen hätte, keine harmonische Wendung, die er seinen Kompositionen nicht schon gegeben hätte. Allein der Titelsong erfüllt den Rufus-Faktor zu über hundert Prozent. Erst ein lässig dahinschaukelndes Thema, dann ein arienhafter Lichtstrahl, und wenig später der Schwenk von Dur nach Moll.

„Caught in the middle“ nannte das Joni Mitchell einst in „Chinese Café“. „We’re middle class, we’re middle aged“ – nur dass Rufus, der zusammen mit seinem Verlobten und „Deputy Dad“ Jörn Weisbrodt und der tätigen Mithilfe von Leonard Cohens Tochter Lorca nun Vater eines einjährigen Mädchens namens Viva Katherine Wainwright Cohen geworden ist, auch noch etwas anderes geworden ist – nämlich middle of the road.

„Out Of The Game“ ist keine Produktenttäuschung, sondern das bittere Gegenteil einer Überraschung. Für einen Musiker, der sein Publikum überall mit hinnehmen könnte, ist das zu wenig. Für Klassiker von eigenen Gnaden gibt es auf Dauer nur zwei Möglichkeiten: entweder harte Arbeit, um nicht Opfer des eigenen Stils zu werden, oder den Weg in die 02-Worlds dieser Erde. Es wird sich zeigen, wofür Wainwright sich entscheidet.

Rufus Wainwright: „Out Of The Game“ (Decca/Universal)

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