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Kultur: Salman Rushdie: Oh Gott, ist er zurück?

So unverzüglich und gnadenlos sind Londons Literaturkritiker mit Salman Rushdies neuem Roman ins Gericht gegangen, dass sie sich nun selber schämen. Der New-York-Roman "Fury" (Wut) des britischen Autors sei "im Mutterleib ermordet worden, durch vorzeitige Kritiken und Gehässigkeit", schrieb der Literaturredakteur des "Guardian" und warf sich mit seiner Feder schützend vor Rushdie.

So unverzüglich und gnadenlos sind Londons Literaturkritiker mit Salman Rushdies neuem Roman ins Gericht gegangen, dass sie sich nun selber schämen. Der New-York-Roman "Fury" (Wut) des britischen Autors sei "im Mutterleib ermordet worden, durch vorzeitige Kritiken und Gehässigkeit", schrieb der Literaturredakteur des "Guardian" und warf sich mit seiner Feder schützend vor Rushdie.

Zu spät. Als das Buch im September an die englischen Buchhandlungen ausgeliefert wurde, war es, so der Literaturkritiker John Sutherland, schon "eine literarische Leiche". Auch der "Independent" fand die öffentliche Vorabverurteilung Rushdies eines Nachschlags für würdig. Über den Autor sei "ein Tornado der Agression" hinweggegangen, schreibt mit hörbarem Kopfschütteln der Kritiker Boyd Tonkin, einer der wenigen, die an Rushdies Buch ein gutes Haar gelassen hatten: "Lieber lese ich eine Seite schlechten Rushdie als 1000 Seiten von dem einschläfernden Brei, der in Großbritannien heutzutage als Literatur ausgegeben wird", hatte er in seiner Rezension gewettert. Die Schwesterzeitung, der "Independent on Sunday", hielt es hingegen für angebracht, Rushdie "von der Premiere League der Autoren auszuschließen".

Lara Croft und Bruno Ganz

Worum dreht sich der Streit? Der Roman "Fury" erzählt auf 260 Seiten von dem 55-jährigen Professor Malik Solanka, Geistesgeschichtler und Erfinder der weltweit lizenzierten Erfolgspuppe "Little Brain". Viele fanden ihn zu unstrukturiert. Zu viele Namen, zu viel Autobiografisches. Von Lara Croft bis Bruno Ganz fehlt in der Tat kaum ein berühmter Name; die Lektüre erspart das Studium ganzer Stapel von "Vanity Fair" und "The New Yorker". In ein paar Jahren wird das Buch eine Fundgrube für die sein, die sich an jene verrückte Zeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts erinnern wollen, in der "die Zukunft ein Kasino war, in dem jeder spielte und davon ausging, dass er gewinnen würde". Doch selbst eine wohlwollende Lesart wie die von Boyd Tonkin ist mit der kritischen Anmerkung versehen, der Roman imitiere den aktuellen Zeitgeist und die Atmosphäre hektischer Überreiztheit mehr, als dass er sie erkläre.

Padmas Narbe

Der Romanheld Professor Solanka wurde in Bombay geboren und studierte in Cambridge. Durch die weltweit lizenzierte Puppe "Little Brain" hat er ein Vermögen gemacht und will nun in New York ein neues Leben beginnen, weil er in seinem Ehe- und Liebesleben seine eigene Identität verloren hat. Nicht nur in dieser Hinsicht hat die Biografie des Autors Pate gestanden. Gewidmet hat Rushdie das Werk Padma. Gemeint ist wohl das Model Padma Lakshmi, wegen der sich Rushdie hat scheiden und seine Augenlider liften lassen. Die "fischgräten-gemusterte Narbe" Padmas, die von Helmut Newton fotografiert wurde, trägt im Roman Solankas neueste Freundin Neela.

Das alles ist genug Stoff, um Londons eng gestrickte literarische Zirkel wochenlang bei Laune zu halten. Londons literarische Welt sei "gehässig und fantasielos", klagte Rushdie, als er sich im vergangenen Jahr nach New York verabschiedete. Nun haben sich Londons Literaturkreise gerächt - indem sie beweisen, wie recht Rushdie hatte. "Oh Gott, ist er zurück? Nun müssen wir alle nach New York ziehen" - raunte man in den Salons, als im Frühjahr die Nachricht von Rushdies Rückkehr die Runde machte.

Dabei geht es nicht nur darum, dass Neider Rushdie nach seiner heroischen Fatwa-Phase wieder aufs Normalmaß eines Autors zurechtstutzen möchten, dem eben nicht jede Arbeit zum Geniestreich gerät. Irgendwie gehört ja auch die hektische Kritik zu jener Welt, die Rushdies Roman beschreibt, in ihrem schnellen Urteil, ihrer Lust an der Hyperbolie und ihrer Unfähigkeit, zwischen dem Wirklichen und dem "Virtuellen" zu unterscheiden. Wie meint Professor Solanka im Roman? "Die Geschwindigkeit des modernen Lebens überfordert die Möglichkeiten des Herzens zu reagieren."

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