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Emma Watson als Mae und Tom Hanks, links, als "Circle"-Boss. Rechts Tom Stenton als Co-Boss Patton Oswalt

© Verleih

Romanverfilmung "The Circle": Digital ist böse

Großen Spaß macht in "The Circle" Tom Hanks als Internet-Zampano. Ansonsten ist die Verfilmung des Dave Eggers' Romans vor allem sehr redlich.

Am meisten Spaß in diesem Film macht Tom Hanks als großer Internet-Zampano. Er entfaltet seine ganz eigene Wirkung durch ein Zusammenspiel von Onkeligkeit, List und Verschmitztheit, so wie er da jedes Mal mit einem relativ vollen und graumelierten Bart auf einer riesigen Bühne vor seinem begeisterten, jugendlichen Auditorium steht, als Mischung aus Steve Jobs, Jeff Bezos und Larry Page, und Weisheiten verkündet wie: „Wissen ist gut, alles zu wissen ist besser.“ Oder: „Teilen ist heilen“. Oder: „Geheimnisse sind Lügen“. Allein: Man glaubt Tom Hanks nicht. Bei seinen Auftritten hat man stets den Eindruck, als wolle er gleich, wenn schon nicht lauthals auflachen, so doch milde begütigend lächeln, und dann sagen: Ach, Kinderchen, was soll das Ganze?

Dabei soll er doch in James Ponsoldts Verfilmung von Dave Eggers’ 2014 veröffentlichten, dystopischen Internet-Roman „The Circle“ einen brandgefährlichen Mann spielen. Einen Mann, der offensichtlich und ganz ernsthaft nach der Weltherrschaft strebt mit seinem Internet-Unternehmen, das „Circle“ heißt, aber, na klar, auch Facebook, Apple, Google oder Amazon heißen könnte. Mit „TruYou“, einem System, das online alle Bedürfnisse eines Users zusammenführt, „ein einziger Button für den Rest deines Online-Lebens“, haben er und sein Kompagnon Tom Stanton sich in der Netzwelt ein Monopol erarbeitet. Und nun wollen sie nachlegen: mit „SeeChange“ (kleine Kameras, die überall auf dem Erdball installiert sind), „DemoVis“ (Politiker, die sich in totaler Transparenz üben) oder „PastPerfect“ (ein System, mit dem man die Vergangenheit jedes Einzelnen über Jahrhunderte zurückverfolgen kann).

Ja, ziemlich gruselig all das. Womöglich soll Hanks als „Circle“-Chef Eamon Bailey tatsächlich eine gewisse Ambivalenz ausstrahlen, vorne Sonnenschein, hinten Joker, womöglich ist das so beabsichtigt. Doch ansonsten steht die „Circle“-Verfilmung dem Roman in seiner Holzhammerhaftigkeit, seiner eindimensionalen Ungebrochenheit und braven Belehrungsbeflissenheit in nichts nach. Sie hält sich getreu an die Vorlage und arbeitet deren Schwächen extra gut heraus.

Der Film stellt schön die Zentralen von Apple oder Google nach

Wir haben also wieder die gute Mae Holland, das anfangs so unbedarfte All American Girl, das seine Eltern liebt, schon auch mal einen Traumjob ergattern möchte und von Emma Watson in seiner ganzen Schlichtheit und grimmigen Gefolgsamkeit durchaus überzeugend dargestellt wird. Und Mae bekommt diesen Traumjob durch die Vermittlung einer Freundin beim „Circle“ im Silicon Valley – und wird zur unbedingten Transparenz- und Überwachungsanhängerin, nachdem ihr bei einem unerlaubten nächtlichen Ausflug mit einem Kajak nicht zuletzt durch eine „SeeChange“-Kamera das Leben gerettet worden war. Sie lässt sich einen Chip implantieren und ihre „Viewer“ und Follower an ihrem Alltag teilhaben, mit Ausnahme der Toilettengänge. Im Film flimmern daraufhin stets rote Buchstabenblasen durchs Bild: Mae, gut gemacht! Mae, wir lieben dich!

Überdies haben wir Maes gute Eltern (Glenne Headley, Bill Paxton), der Vater ist an MS erkrankt und bekommt vom „Circle“ Hilfe und eine Krankenversicherung, sowie Maes guten Ex-Freund Mercer (Ellar Coltrane), der mit dem Internet nichts anfangen kann und in den Tod getrieben wird. Und wir haben Maes scheinbar so glamouröse Freundin Annie (Karen Gillian), die ihr Leben ausschließlich dem „Circle“ widmet – und, nicht zu vergessen, den „Circle“ selbst, den anti-septischen Bio-Wellness-Firmensitz, den der Film schön den Zentralen von Google oder Apple nachgestellt hat

Was wohl die 24/7-Smartphone-Jugend dazu sagt?

Hier wird nicht nur gearbeitet, sondern gewohnt, gelebt, gespielt, gefeiert und zumindest bei Eggers auch geliebt – nicht jedoch bei Ponsoldt, aus welchem Grund immer. Hier ist man mit seiner ganzen Persönlichkeit und seinem ganzen Körper bei der guten digitalen Sache und will die Menschheit nichts anderes als besser machen, bis hin zu dem großen Moment, an dem Mae zur Menschenjägerin wird und vor den Augen der digitalen Welt eine Kindermörderin innerhalb von Minuten aufspürt.

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Das macht sie kurz darauf genauso mit ihrem Freund Mercer, dem Naturburschen und Hirschgeweihmaler – nur hat zu diesem Zeitpunkt jede und jeder verstanden, dass der „Circle“ böse ist, dass 24-Stunden- Online-Sein nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, die totale Transparenz, die totale Kontrolle und die totale Erinnerung sowieso nicht. Natürlich hat diese Szene, in der Mercer mit seinem Auto eine Brücke herunterstürzt, weil er von den irren digitalen Natives gejagt wird, ihren Reiz, ist sie ein dramaturgischer Höhepunkt. Doch ändert sie nichts daran, dass dieser Film plot-, entwicklungs-, esprit- und witzarm vor sich hinplätschert. Selbst Maes Zusammenbruch nach dem Tod von Mercer wirkt so didaktisch wie der ganze Rest, und als sie schließlich zum Gegenschlag ausholt – die einzige Abweichung, die Ponsoldt und sein Mitdrehbuchschreiber Eggers sich erlaubt haben –, rettet das „The Circle“ und die Welt auch nicht mehr.

Ob der Film auf diese Art seinen selbst gestellten Bildungsauftrag erfüllen kann? Was die 24/7-Smartphone-Jugend dazu sagt, so ausdifferenziert sie inzwischen im Netz unterwegs ist? „The Circle“ wirkt wie von gestern – und längst von einer Wirklichkeit und Aktualität überholt, deren Gefahren weiterhin genauso im Analogen lauern. Als Mae also versucht, ihren Boss mit seinen und ihren Mitteln zu schlagen und ihn zur totalen Transparenz auffordert, schaut Hanks alias Eamon Bailey wie gehabt weniger verblüfft denn treudoof-hinterlistig rein. Eine gute Idee von Mae. Was haben wir gelacht, wenigstens einmal!

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