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Hier fängt Tuil ihre Geschichte an. Das berüchtigte Banlieu Clichy-sous-Bois im Norden von Paris.

© AFP

Roman von Karine Tuil: Verliebt in Turbulenzen

Der Stoff von Karine Tuils Roman „Die Zeit der Ruhelosen“ hat das Zeug zum großen Gesellschaftsroman. Doch die Figuren bleiben blass, während sich die Ereignisse überschlagen.

Was für Figuren! Was für ein Stoff! Eigentlich hat „Die Zeit der Ruhelosen“ von der 1972 in Paris geborenen Schriftstellerin Karine Tuil alles, was einen guten politischen Roman ausmacht, einen Gesellschaftsroman gar. Zumal in einer Zeit, in der das von Terror, Wirtschaftsnöten und Präsidentschaftswahlen geplagte Frankreich auf der Suche nach sich selbst ist.

Der Chef eines der weltweit größten Mobilfunkunternehmen, der wegen eines Porträts in einem Magazin in den Verdacht gerät, ein Rassist und ein Frauenverächter zu sein, sich wegen seiner Herkunft aber im Verlauf dieses Skandals antisemitischer Anfeindungen ausgesetzt sieht. Ein Soldat, der aus der berüchtigten Pariser Banlieue Clichy-sous-Bois stammt, die Hölle Afghanistans überlebt hat und nun mit seinen Kriegstraumata kämpft. Ein Berater des französischen Präsidenten, dessen Eltern aus Nordafrika kommen und der als Sozialarbeiter in Clichy-sous-Bois auf sich aufmerksam gemacht hat, in der Politik gelandet ist und nun wegen rassistischer Ressentiments tief fällt. Und eine Journalistin, die über bestimmte Vorgänge in Afghanistan recherchiert und Gattin des Mobilfunkunternehmenschefs wird.

Tuil reiht Ereignis an Ereignis

Sie alle haben auf vielfältige Weise miteinander zu tun, und das vor dem Hintergrund des Kriegs gegen den Terror nach 9/11, der Lage in Frankreich mit seiner politischen Klasse, seinen Eliten hier, dem Rassismus, den Unruheherden und der Chancenlosigkeit in den Banlieues dort.

Nur liebt es Tuil turbulent, reiht sie Ereignis an Ereignis, Volte an Volte. Zeit und Raum für die Entwicklung ihrer Figuren hat sie nicht, von psychologischer Tiefe, gar Empfindsamkeit kann keine Rede sein. Spätestens nach der Hälfte hat man genug von ihnen, wirken sie stereotyp. Abgesehen davon, dass „Die Zeit der Ruhelosen“ sprachlich blass bleibt, reicht es dann nicht mal mehr zu einem guten Unterhaltungsroman. 

Karine Tuil: Die Zeit der Ruhelosen. Roman. Aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff. UllsteinVerlag, Berlin 2017. 505 Seiten, 24 €.

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