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Der Tschador: Symbol der weiblichen Unterdrückung - aber auch gutes Mittel, um sich auf einer Demonstration zu verstecken.

© dpa

Roman über Frauen im Iran: Von der weiblichen List gegen die Ohnmacht

Mojgan Ataollahi erzählt in ihrem autobiographischen Roman-Debüt „Ein leichter Tod“ von ihrem Aufwachsen und Leben als junge Frau im Iran - und wie man den Tschador zum Widerstand nutzt.

Für junge Frauen in der Islamischen Republik Iran fühlt sich das Leben oft wie ein „aufgezwungenes Exil“ an. So schreibt es die 1981 in Teheran geborene Mojgan Ataollahi in ihrem ersten, autobiografisch grundierten Roman „Ein leichter Tod“, dessen Ich-Erzählerin wie sie selbst heißt. An die Revolution von 1979 selbst hat ihre Generation keine lebendige Erinnerung, allerdings an die Folgen, die erzwungene Isolation im Schatten des Iran-Irak-Krieges, an die Aufsicht der „Schwestern von Erschad“, der islamischen Sittenwächterinnen, oder an die ständige Drohung männlicher Übergriffe.

Dabei wächst Ataollahi – das „Geschenk Allahs“ – in einem gemäßigten Elternhaus auf. Der Vater fördert die künstlerischen Versuche seiner Tochter, und er widersetzt sich am Ende nicht der Heirat mit Madjad, für den sie sich entscheidet. Ein schlimmer Fehler, denn der Ehemann ist gewalttätig, er unterdrückt die Bildungslust seiner Frau, indem er alle Bücher aus dem Haus verbannt und ihr diktiert, wie sie sein Hähnchengericht zuzubereiten hat.

„Alles hängt von den Entscheidungen ab, die man trifft“, schreibt Mojgan rückblickend auf ihre Ehetragödie in Behschar am Kaspischen Meer. Nach fünf Jahren Ehe und sechs in ihrem Elternhaus, wo sie versucht, bei einem Gericht die Scheidung durchzusetzen, ist sie wieder in den Norden gefahren, nach Sari, um dort ihr Leben zu beenden. Man müsse ungestört sein dabei, sagt sie, kein Kind dürfe am Bett weinen. „Zumindest in der Todesstunde sollte man von Störenfrieden befreit sein“, und kauft beim Reishändler eine tödliche Tablette.

Kunstvolle Verschränkung von Ereignissen und Fantasie

Vorerst aber schreibt sie. Von ihrer Kindheit im Luftschutzbunker, den Gewaltakten des Ehemanns, den sie lange nicht verlässt, weil sie Matisse, ihre Tochter, schützen will. Und von den Demütigungen und Erniedrigungen, die sie vor Gericht erfährt. Überzeugt, das Herz des Richters „auftrennen“ zu können, um „gewaltsam ein bisschen Menschlichkeit hineinzustopfen“, erlebt sie, wie dieses Herz „in Säure gewendet und alles darin gut gemischt und zerkleinert“ wird, bis es ein Ausgangsloch, „vielleicht den Mund“, findet. „Woher soll man wissen“, fragt sie der Richter, „dass dein Ehemann dich geschlagen hat?“

Kunstvoll verschränkt Ataollahi Ereignisbericht, Assoziationen und märchenhafte Fantasie, die sich am Körper festmachen. Schon in der Kindheit ist er die Instanz von Gewalterfahrung: „Ich fühlte mich wie ein Blatt Papier, das man in der Faust zerknüllte. Wie ein weichgepresster Granatapfel. Hätte man ein Loch in mich gebohrt, wären meine Knochen wie Brühe aus meinem Körper geflossen.“ Krieg und Krankheit graben sich früh ein, ein Horrorkabinett von Bildern, dem nicht zu entkommen ist. Wenn die Erinnerung nicht mehr auszuhalten ist, greift die Berichterstatterin auf Distanzierungsgesten zurück. Statt des Ich dominieren dann das Du und Formen der Mittelbarkeit, die den häuslichen Terror erträglich machen. Doch aufgezeichnet muss er werden, denn „die schlimmste Art zu sterben könnte sein, zu sterben, bevor alles aufgeschrieben“ ist.

Im Iran durfte sie bisher kaum publizieren

Bei aller Kritik an den iranischen Verhältnissen bezieht die Autorin, die bis auf einen Gedichtband in ihrer Heimat bisher nicht publizieren durfte, differenziert Position. Sie beobachtet am Kaspischen Meer Standfußball spielende Frauen, in schweren Trainingsanzügen und Kopftüchern zwar, aber mit einem männlichen Trainer. Immer wieder beschreibt sie weibliche Listen gegen die Ohnmacht. Der Tschador ist zwar ein lästiges Verhüllungsutensil, aber durchaus nützlich, wenn man sich auf Demonstrationen darunter verstecken will. Als ihr Ehemann ihre ersten Aufzeichnungen als Schriftstellerin vernichtet, nimmt sie das als Herausforderung, noch besser zu schreiben.

Selbstkritisch beurteilt Ataollahi auch die eigenen Strategien der Unterwerfung und des Duldens um der Tochter willen oder weil sie das Urteil ihrer Familie und Umgebung fürchtet. „Wir Iraner sind immer auf der Suche nach jemandem, der kommt, um uns zu retten und ins Paradies mitzunehmen.“

Mojgan Ataollahi: Ein leichter Tod. Roman. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani. Residenz Verlag, Salzburg/Wien 2016. 182 Seiten, 17,90 €.

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