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Selbstzufrieden. Fixer Norman (Richard Gere, r.), sein Neffe Philip (Michael Sheen, l.) und der Politiker Micha Eshel (Lior Ashkenazi) stehen im Zentrum der Macht.

© Sony

Richard Gere in „Norman“: Der Strippenzieher

Wo gehören Gefallen auf, wo beginnt Korruption? Richard Gere bewegt sich als New Yorker Problemlöser „Norman“ zwischen Wirtschaft und Politik.

Der englische Begriff Fixer bezeichnet jemanden, der für andere Menschen Probleme löst. Er bietet seine Dienste an in allen Lebenslagen – mitunter auch in rechtlichen Grauzonen, wie der wohl bekannteste Fixer des Serienzeitalters Ray Donovan. Auch Norman ist so ein „Problemlöser“. Im immer gleichen Kaschmirmantel, mit Schiebermütze und eingestöpselten Ohrhörern bewegt er sich dauertelefonierend durch das winterliche Manhattan. Er fädelt Geschäfte ein, bringt Leute miteinander in Kontakt, hält sich immer im Dunstkreis mächtiger und reicher Menschen auf und bietet seine Hilfe an. Irgendwann werden sie sich sicher einmal erkenntlich zeigen können.

Doch Norman hat schon bessere Tage erlebt. Sein Business läuft nicht gut. „Du bist wie ein Ertrinkender, der einem Ozeandampfer hinterherwinkt“, meint sein Neffe Philip (Michael Sheen) einmal, als Norman verzweifelt versucht, Kontakt zu einem reichen Investor zu bekommen. „Aber ich bin ein guter Schwimmer“, entgegnet der nur. An Ausdauer mangelt es ihm tatsächlich nicht – und auch nicht an Bereitschaft, jeglichen Stolz hinunterzuschlucken. Norman ist eine Figur, der man im realen Leben eher nicht begegnen möchte. Er verbindet die Penetranz eines Handelsvertreters mit den perfekten Umgangsformen eines Heiratsschwindlers.

Die Besetzung der Hauptrolle mit Gere entpuppt sich als Glücksfall

Dass ausgerechnet Richard Gere diesen Norman Oppenheimer spielt, erscheint zunächst wie eine gewagt Wahl, entpuppt sich aber als Glücksfall. Der 68-Jährige hat schon als Obdachloser in „Time Out of Mind“ (2015) gezeigt, dass er sich im Herbst seiner Karriere nicht sträubt, Rollen anzunehmen, die sein Image als mondän-souveräner Beau konterkarieren. In „Norman“ (der Originaltitel lautet vollständig „Norman: The moderate rise and tragic fall of a New York Fixer“) ist es ihm zu verdanken, dass der Titelheld trotz aller Unterwürfigkeit und Penetranz nie wirklich abstoßend wird. Man entwickelt eher Mitgefühl für diese Figur als Antipathie – auch weil Normans Geschäftigkeit weniger der Geldgier geschuldet zu sein scheint als einem Bedürfnis zu helfen, womit er seine innere Leere übertüncht.

Die Literatur- und Filmgeschichte ist reich an antisemitischen Zerrbildern wie Norman: der jüdische Trickster, dessen undurchschaubare Machenschaften und geheime Geschäfte die Gesellschaft unterwandern. Die vielleicht perfideste dieser Schöpfungen teilt mit Norman den Nachnamen: Joseph Süß Oppenheimer, die Titelfigur aus Veit Harlans Nazi-Propagandamachwerk „Jud Süß“ (1940). Nicht zuletzt durch die Besetzung mit Gere hält Regisseur und Drehbuchautor Joseph Cedar in dieser israelisch-amerikanischen Koproduktion größtmöglichen Abstand von antisemitischen Stereotypen.

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Religion spielt dennoch eine wichtige Rolle. Normans einziger Freund ist der Rabbi seiner Synagoge, in die er weniger geht, um religiöse Erleuchtung zu finden, als vielmehr Ruhe vor seinem stressigen Alltag. Seine Religionszugehörigkeit hilft ihm auch, den Kontakt herzustellen, der Normans im Untertitel des Films schon angekündigten Aufstieg und Fall in Gang setzen wird. Eines Tages folgt er nach einer Konferenz dem stellvertretenden israelischen Handelsminister Micha Eshel (Lior Ashkenazi) durch Manhattan und spricht ihn an. Schnell gewinnt er das Vertrauen des aufstrebenden Jungpolitikers, sodass Eshel sich schließlich ein paar teure Schuhe von Norman bezahlen lässt. Ein Kauf, den beide noch bereuen werden.

Man sollte den Film nicht zu streng an der Realität messen

Der Deal strapaziert kurz die Glaubwürdigkeit der Geschichte: Würde sich ein smarter Karrierepolitiker tatsächlich ein Geschenk für über 1000 Dollar von einem Mann machen lassen, den er gerade erst auf der Straße kennengelernt hat – selbst wenn er so charmant und seriös daherkommt wie Richard Gere? Und würde ein hochrangiger israelischer Politiker überhaupt ohne Personenschutz durch New York spazieren?

Regisseur Cedar streut jedoch selbst kleine Hinweise ein, dass man seinen Film nicht allzu streng an der Realität messen sollte. Das beginnt schon mit dem romanhaften Untertitel „Der bescheidene Aufstieg und tragische Fall eines New Yorker Geschäftsmanns“ sowie der Unterteilung in Kapitel mit Überschriften. Und findet seinen Höhepunkt in einigen Montagesequenzen, die Normans Wahrnehmung ins Traumhafte verrücken.

Norman scheint sich seiner Grenzüberschreitungen nicht bewusst

Doch all diese Versuche einer Überhöhung bleiben zögerlich. Die Stärke des Films liegt eher darin, dass er überzeugend darstellt, wie sich Netzwerke aus politischen, sozialen, religiösen und finanziellen Verbindungen in einem Macht- und Finanzzentrum wie New York durchdringen. Norman ist ein Virtuose darin, sich in diesem Gewirr zurechtzufinden und die richtigen Strippen zu ziehen. Wann er dabei die Grenzen der Legalität überschreitet, scheint es ihm nicht bewusst zu sein – so sehr lebt er in seiner eigenen Realität der Deals und Klüngeleien. Wo hören Gefallen auf, wo beginnt Korruption? Norman stellt sich diese Frage nie – bis sie ihm Jahre später mit aller Deutlichkeit gestellt wird.

Wobei man in Bezug auf die Titelfigur immer ein „scheint“ benutzen sollte. Norman bleibt bis zum Schluss kaum fassbar, eine schillernde Figur, die vielleicht selber nicht weiß, warum sie so handelt. Der Begriff des Fixers passt zu ihm auf jeden Fall wesentlich besser als der des einfachen Geschäftsmannes, zu dem ihn die deutsche Synchronisation macht.

In 7 Berliner Kinos, OV: Cinestar Sony Center, Filmkunst 66

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