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Spielt am Freitag Chopin bei der Bechstein-Reihe. Alexej Gorlatch, 1988 in der Ukraine geboren.

© Kaupo Kikkas

Recital-Reihe im Konzerthaus Berlin: Wie Bechstein junge Pianisten fördert

Auf dem Berliner Klassikmarkt haben es Klavierabende eher schwer. Die Traditionsfirma Bechstein unterstützt junge Interpreten mit einer eigenen Recital-Reihe im Konzerthaus.

Hat es das schon mal gegeben? Ein Konzertsaal wird zum Restaurant umgebaut. Das Vorkriegs-Stammhaus der Berliner Philharmoniker war 1876 als Rollschuhbahn eröffnet worden, bevor hier die Sinfonik einzog, im Admiralspalast gab es mal Luxusthermen sowie eine Eislaufarena, bevor das Gebäude am Bahnhof Friedrichstraße zur Bühne wurde. Aber umgekehrt? 15 Jahre hat der Klavierbauer C. Bechstein den Veranstaltungssaal im 5. Stock des Charlottenburger „Stilwerk“ für Konzerte nutzen können. Der Pianist Martin Helmchen ist hier bereits 2004 aufgetreten, die heutigen Tastenstars Lise de la Salle, Alice Sara Ott und Igor Levit stellten sich 2006 vor, als sie alle noch Geheimtipps waren.

Die Traditionsmarke Bechstein hat ihre Verkaufsräume im Stilwerk. Da lag es nahe, Künstler, die ein offenes Ohr für unterschiedliche Klangwelten haben und darum nicht nur auf Instrumenten des Marktführers Steinway spielen wollen, hier zu präsentieren. Künftig aber soll der 200-Plätze-Saal gastronomischen Zwecken dienen. Gregor Willmes, der als Kulturmanager bei Bechstein die firmeneigene Recital-Reihe organisiert, musste sich also nach einer Ersatzspielstätte umschauen.

Und entschied sich für die musikalisch beste Lösung: Nicht an einem besonders hippen, hochkulturell bislang unerschlossenen Ort findet der Neustart der C. Bechstein Klavierabende an diesem Freitag statt, sondern im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Genauer gesagt im kleinen Saal, einem intimen Raum, bei dem der Flügel erhöht auf einer Art Guckkastenbühne steht, was die Konzentration auf das Geschehen unterstützt. Bei einer Zuschauerkapazität von 392 müssen hier allerdings doppelt so viele Sitze gefüllt werden wie bisher im „Stilwerk“.

Klavierabende sind für Veranstalter ein schweres Pflaster

Theoretisch ist für Tastenmusik genug Publikum vorhanden. „Bei den Musikschulen sind die Anmeldungen im Bereich Klavier konstant die höchsten“, weiß Willmes. Darum will er gerade die „wissenden Laien“ ansprechen, die aus eigener, mühevoller Erfahrung mit dem Instrument das Können der Profis besonders zu schätzen wissen. Dennoch ist dieser Bereich der Live-Klassik für Veranstalter ein „schweres Pflaster“, findet Jutta Adler, die mit ihrem Mann Witiko Berlins älteste private Konzertagentur leitet. Grigory Sokolov, in Berlin kultisch verehrt, sorgt beispielsweise in München oder Hamburg nicht automatisch für volle Häuser. Und jene Namen, die die Philharmonie füllen, lassen sich an einer Hand abzählen: Pogorelich, Lang Lang, Pollini, Martha Argerich, seit Kurzem auch Daniil Trifonov. „Bei Murray Perahia haben wir vergangene Woche 1800 Tickets verkauft, damit waren wir sehr zufrieden“, resümiert Jutta Adler.

András Schiff kann auf seine treuen Fans zählen, die zuverlässig den Kammermusiksaal füllen, Daniel Barenboim hat mit dem Boulez Saal nun seine eigene Spielstätte. Zwei Konkurrenten, „Piano 4 étoiles“ aus Paris und das Konzertbüro Schoneberg aus Münster, die vor allem mit Klavierabenden versucht hatten, auf dem Berliner Markt Fuß zu fassen, traten bald wieder der Rückzug an. Eine erstaunliche Popularität hat dagegen der Pianosalon Christophori im Wedding erreicht, eine improvisierte Spielstätte in einer Werkstatthalle für historische Flügel. Finanziell lukrativ sind die Auftritte für Künstler hier allerdings selten, da die Konzerte weitgehend auf Spendenbasis organisiert werden.

Für Pianisten um die 40 ist die Situation am heikelsten

„Karrieren kann man nicht voraussagen“, findet Gregor Willmes. Wer Glück hat, den nimmt ein berühmter Dirigenten unter seine Fittiche: Als Solist zu Sinfonieorchestern eingeladen zu werden, gibt den Klaviervirtuosen sofort einen Bekanntheitsschub. Gute Chancen für Auftritte hat auch, wer besonders jung ist und gerade einen bekannten Wettbewerb gewonnen hat. Am heikelsten ist es dagegen für Pianisten um die 40 – „dabei hat man dann gerade erst die Reife erreicht, die für die komplexen Werke der Klavierliteratur nötig ist“, bedauert Willmes.

Mit dem 1988 geborenen Alexej Gorlatch hat der Bechstein-Kulturmanager für den Neustart seiner Reihe einen Interpreten gewonnen, der Jugend und Erfahrung verbindet. Vor sechs Jahren bereits konnte Gorlatch beim ARD-Wettbewerb abräumen. Er wird sich im Konzerthaus jetzt auf jenen Komponisten konzentrieren, dessen Klaviermusik die Leute am allerliebsten hören: Frédéric Chopin.

Im Idealfall werden die Künstler zu Markenbotschaftern

Den 32-jährigen Haiou Zhang, der am 21. April den zweiten Bechstein-Abend bestreitet, kennt Willmes seit 2009. Damals vermittelte er dem Newcomer den Kontakt zum CD-Label Haenssler. In seiner Heimat ist Zhang mittlerweile berühmt, auch im Stilwerk hat er schon ein ausverkauftes Konzert gespielt. Der Chinese ist aber auch ein echter Bühnenmensch mit viel Charisma.

Langfristige Kontakte zu den Künstlern findet Willmes wichtig. „Mir geht es ja auch darum, regelmäßig Rückmeldung von ihnen zu bekommen, was ihre Erfahrungen mit unseren Instrumenten betrifft.“ So manche Anregung fließt in die Weiterentwicklung der Flügel ein. Und im Idealfall werden die Künstler zu Markenbotschaftern für Bechstein: durch Handpropaganda.

Weitere Infos unter www.bechstein.de

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