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Fantasiegestalt in sinnlicher Pose. Der italienische Tänzer Enrico Ticconi performt „Rasp Your Soul“.

© Dorothea Tuch

„Rasp Your Soul“ von Kat Válastur im HAU: Der Wolf in uns

Die griechische Choreografin Kat Válastur ist eine der spannendsten Talente der Berliner Tanzszene. In „Rasp Your Soul“ im HAU lässt sie Mensch und Maschine verschmelzen.

Von Sandra Luzina

Im Tanz herrscht momentan Hochsaison: Viele der geförderten Choreografen und Gruppen bringen jetzt ihre neuen Produktionen heraus. Darunter ist auch Kat Válastur, eins der spannendsten Mitglieder der Berliner Tanzszene. Die griechische Choreografin hat nicht nur eine sehr eigenwillige Formensprache entwickelt, sie setzt sich in ihren Arbeiten auch mit aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen auseinander.

Im HAU 3 zeigte sie nun das Solo „Rasp Your Soul“, das sie für den italienischen Tänzer Enrico Ticconi kreiert hat. Die Choreografie bildet den Auftakt zur neuen Werkreihe „The Staggered Dances of Beauty“. In „Rasp Your Soul“ untersucht sie, wie sich eine digitale Umgebung auf das analoge Selbst auswirkt. Kat Válastur kommt ohne flimmernde Bildschirme aus, sie konzentriert sich stattdessen ganz auf Körper und Stimme. Alle Laute, die Enrico Ticconi produziert, werden elektronisch verfremdet. Anfangs beleuchten ihn wechselnde Spots: eine Fantasiegestalt in sinnlicher Pose. Die pochenden Laute scheinen aus der Tiefe seines Körpers aufzusteigen, zuckend und strampelnd bewegt er sich zu dem klopfenden Rhythmus. Mühsam versucht er dann, sich aufzurichten und erste Wörter zu bilden. Wie Laute und Sprache verfremdet werden, ist oft von grotesker Komik, aber auch unheimlich, denn Mensch und Maschine, Organisches und Künstliches verschmelzen.

Ein Flackern der Existenz

Enrico Ticconi springt abrupt von einem Zustand zum anderen. Zu sehen ist ein Öffnen und Zusammenziehen des Körpers, ein Einverleiben und Ausspucken. Inneres und Äußeres sind in einem ständigen Austausch. Er beißt schon mal gierig in einen Bambusstock, hüpft wie ein Flummi über die Bühne. Wenn er sich in freudiger Bejahung übt, steigert sich das immer mehr, bis er schließlich mit Mickey-Maus-Stimme spricht. Der Mensch erscheint hier als ungemein form- und manipulierbar, offen für alle möglichen Einflüsterungen. Wenn der Tänzer sich zum Schluss das Trikot auszieht, sieht das wie eine letzte Häutung aus. Am Ende gehen die tiefen Atemgeräusche in ein animalisches Knurren und Fauchen über. Der Wolf lauert immer in uns, so lautet die Diagnose des Abends.

Kat Válastur experimentiert gekonnt mit der technologischen Erweiterung des Körpers, um zu neuen Ausdrucksformen zu gelangen und ein Flackern der Existenz zu veranschaulichen. „Rasp Your Soul“ fesselt über weite Strecken, auch dank Enrico Ticconis chamäleonhafter Wandlungsfähigkeit.

HAU 3, wieder So 5.11., 17 Uhr

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