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Marteria. Nicht singend, sondern aus blauen Augen blickend.

© Promo

Rap-Konzert Marteria in der Wuhlheide: Tick Tack, Zeit ist knapp

Marteria, geboren in Rostock, gilt als Deutschlands bester Rapper. Samstagabend in der Wuhlheide hat er Peter Fox zu Besuch.

Sein erstes Konzert in Berlin, das war im Privatclub, erzählt Marteria. Keine hundert Leute waren da, wer war er schon. Er trat im Cassiopeia auf, im Astra, letztes Jahr in der Max-Schmeling-Halle. Und jetzt steht er hier, auf der Kindl-Bühne Wuhlheide. Berliner Osten. Den Osten kennt er, da stammt der Rostocker her und würdigt ihn oft in seinen Stücken. Er blickt in die vollen Ränge, die wie in einem Amphitheater angelegt sind. Das Konzert ist ausverkauft, die Zeit der kleinen Bühnen vorbei.

Ohne Anekdoten zwischen den Liedern, Erklärungen, wie dieser und jener Song entstanden ist, performt der deutsche Rapper mit dem bürgerlichen Namen Marten Laciny über zwei Stunden lang auf der Freilichtbühne. Ganz nach dem Stil seines aktuellen Albums „Zurück in die Zukunft II“ wechseln sich schnelle, dynamische Stücke wie „OMG!“ mit ruhigen, nachdenklichen Liedern ab. In „Eintagsliebe“ geht es um One-Night-Stands, um kurze, intime Momenten, die nicht bleiben. "Amys Weinhaus" erzählt von einer Bar, in der die Gäste reden, sich ausheulen, in der sie loslassen können.
Ähnlich melancholisch ist sein Lied „Die Nacht ist mit mir“, für das seine Zuhörer die erste Zugabe des Abends fordern. Keinen Rat will er darin von seinem Barkeeper, sondern nur einen Drink. Denn „jeder Schluck macht Glück, Glück, Glück.“ Die Hook am Ende singt Campino, Frontmann der "Toten Hosen". Die beiden Musiker haben sich bei einem Festival in Berlin kennengelernt. Campino kam nach der Show zu Marteria, er arbeitete gerade an dem Album „Ballast der Republik“. Der Sänger erzählte dem Rapper, dass er gerade Probleme beim Texten habe und Inspiration bräuchte. Sie arbeiteten zusammen, schrieben, diskutierten. Das Album wurde ein Erfolg.

Peter Fox singt mit "Tick Tack, Zeit is knapp"

Es ist nicht das einzige Duett des Abends. „Allein in der Kneipe trinken. Laptop im Kaffee, die Simpsons scheiße finden“, in „Alles verboten“ rappt er zusammen mit Casper über all die Dinge, die man nicht tun – und genau deswegen machen sollte. Wie Campino steht Casper nicht live auf der Bühne. Anders Peter Fox, der in „Sekundenschlaf“ leibhaftig neben Marteria steht und singt: „Tick Tack Tick Tack, Zeit is knapp. Du bist gehetzt, weil die Uhr dir Beine macht“.

Bis zu dem Song „Bengalische Tiger“ ist die Show geprägt von schlichten Bühnenbildern, die inhaltlich zu den Liedern passen. Und dann, die erste Zeile: „Schwarze Kapuze, Flutlicht brennt, Stempel drauf, Hooligan“. Die Zuschauer halten geballte Fäuste in die Luft. Bengalos werden gezündet, roter Rauch zieht auf. „Pyrotechnik gehört nicht verboten“, ruft der Rapper am Ende des Stücks. Marteria ist leidenschaftlicher Fan von Hansa Rostock, aber für ihn ist „Bengalische Tiger“ mehr als ein Fußballlied. Es sei ein politischer Song. Ein Aufruf, auf die Straße zu gehen. Bei „Marteria Girl“ fordert der Rapper, Frauen auf die Schultern zu nehmen. Der Song sei für sie. Zu seinem Lied „Neue Nikes“ sollen seine Fans ihre Schuhe nach oben halten. Alle mal die Hände hoch, klatschen, hinhocken. Kleine Interaktionen ziehen sich durch den Abend. Richtig gefordert wird das Publikum dann am Ende. T-Shirt aus, jetzt. Marteria macht es vor. Wie mutig ist Berlin? Wer schmeißt es weg, bleibt oberkörpernackt? Einige, nicht viele, machen mit. Und jetzt springen! 20 Sekunden. Die letzten 20, die allerletzten 20. Kurz ausrasten, bevor alle nach Hause gehen. Vorbei an kleinen Raves, die später im Volkspark Wuhlheide stattfinden.

Endlich wird wieder gekifft

Zwischendurch Pause. Marteria geht. Kommt wieder als Marsimoto, Alter Ego, Antiheld. Als maskierter grüner Kobold springt er über die Bühne und rappt mit hochgepitchter Mickey-Mouse-Stimme über Marsis Lieblingsthema: „Endlich wird wieder gekifft. Du hast doch längst vergessen wie das ist“ Grünes Licht, überall, Gras-Geruch in der Luft. „Green Berlin is in the fucking town“, ruft Marteria nennt und macht seine Haltung zur Legalisierung von Cannabis in „Illegalize it“ sarkastisch deutlich. „Das geht raus an alle Marsi-Feinde, Bundestag, Hasenheide.“

Ein Lied noch. „Kids“ hatte er schon. Seine Kritik an der jungen, spießigen Generation, die ein zu kontrolliertes Leben führe, mit Sport, gesunder Ernährung, mit der Karriere im Blick. „Lila Wolken“, das Lied, mit dem er 2012 seinen Durchbruch schaffte, ist schon gespielt. „Wir leben immer schneller, feiern zu hart“ – auch so ein Generationen-Ding. Brecht aus, bleibt wach, bis die Sonne aufgeht. Marteria entscheidet sich für sein, wie er sagt, nachhaltigstes Stück: Welt der Wunder. Hinter ihm, eine Weltkugel. Der Rapper fordert die Zuschauer auf, Licht zu machen. Mit dem Handy oder einem Feuerzeug. Das hätten seine Marsi-Fans ja sowieso dabei. Wir alle hätten doch schon einen Sechser im Lotto, weil wir auf dieser Welt sein dürfen, sagte er einmal in einem Interview. Darüber sollten die Menschen nachdenken, wenn es ihnen schlecht geht. Das Leben sei so kostbar. Die Wuhlheide, ein Lichtermeer. Weiße Schnipsel aus Papier fallen vom Himmel. Für den einen mag es jetzt kitschig werden, für den anderen romantisch. Poetisch. Wie für einen Zuschauer, der auf Facebook schreibt: „So gerührt war ich das letzte Mal, als ich meine Freundin zum ersten Mal geküsst hab.“

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