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RAF-Anwälte: Verteidiger oder Komplizen?

Irgendwann lächelt Hans-Christian Ströbele ziemlich hilflos. Er hat keine Antwort. „Warum er so geworden ist, werde ich mich mein Leben lang fragen“, sagt er dann. Das ist einerseits verständlich, anderseits das Problem dieser Veranstaltung. Die Anwälte der RAF: eine Diskussion in Berlin.

Der Saal in der Urania in Berlin ist bis auf den letzten Platz gefüllt, vorgestellt und diskutiert wird das Buch zum Film „Die Anwälte – eine deutsche Geschichte“ (Fackelträger-Verlag). Der Film kam im November 2009 in die Kinos, die Anwälte, das sind Ströbele, Horst Mahler und Otto Schily, alle früher Verteidiger in RAF-Prozessen. Das Buch zeichnet ihre Lebensgeschichte nach. Ströbele ist Linker geblieben, jetzt als Bundestagsabgeordneter der Grünen. Mahler leugnet inzwischen den Holocaust und Schily entwickelte als Innenminister beinharte Anti-Terror-Gesetze.

Warum diese Wandlungen? Bei Mahler weiß es niemand, auch sein früherer Kanzleikollege Ströbele nicht. Und Schily redet öffentlich nicht zum Thema. Also werden gerade die spannendsten Fragen nicht geklärt. Da können auch die Buchautoren Martin Block und Birgit Schulz nicht weiterhelfen. Also dreht sich die Diskussion zeitweise bloß um altbekannte Fragen. War die RAF bloß eine Mörderbande? Oder muss man sie im politischen Zusammenhang – Vietnamkrieg, verkrustete Gesellschaft – sehen? Klar muss man sie so sehen, sagt Ströbele. Gerhart Baum hält dagegen, dafür ist er ja eingeladen worden. Baum (FDP) war von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister. „Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg? Völlig in Ordnung.“ Aber Morde? Ausgeschlossen.

Die Diskussion pendelt zwischen der ganzen großen Linie und dem Thema des Abends: die Rolle der Anwälte und ihre Probleme. Die RAF-Anwälte, das waren ja die eigentlichen Verteidiger des Rechtsstaats. Ströbele verkündet diese These, als hielte er ein Plädoyer. Denn sie, die Verteidiger, kämpften gegen zweifelhafte Gesetzesverschärfungen. Baum übt Selbstkritik, aber er kontert auch: „Es gab Anwälte, die waren Komplizen.“ Die hätten in der öffentlichen Wahrnehmung alle Anwälte in Verruf gebracht.

Neben Christian Ströbele sitzt Astrid Proll, Mitglied der ersten RAF-Generation. Plötzlich beugt sie sich vor und murmelt: „Da hat er recht.“ Ein Satz nur, aber er nimmt für einen Moment der Diskussion ihre Routine. Proll sagt wenig, aber ihre Beiträge wirken nicht so abgeschliffen wie die der Politprofis. Ihr wichtigster Satz, fast hastig: „Nach den ersten Verletzten hätte die RAF gleich aufhören müssen.“ Kurze Pause: „Oder sie hätte erst gar nicht anfangen dürfen.“

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