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Vorbild für die islamische Architektur. Der Taq-e Kesra, die Bogenhalle von Ktesiphon. Fotografie von 1888. 

© Staatliche Museen zu Berlin – Museum für Islamische Kunst, Ktesiphon-Archiv.

Quellen islamischer Kunst: Das Geheimnis des Perlhuhns

Mschatta und die Folgen: Das Museum für Islamische Kunst zeigt in Kooperation mit dem Exzellenzcluster Topoi das persische Erbe in der islamischen Kunst am Beispiel von Ktesiphon.

Geschenke können manchmal etwas in Bewegung setzen. Als der osmanische Sultan Abdülhamid II. dem Kaiser-Friedrich-Museum einen bedeutenden Teil der Fassade des Wüstenschlosses von Mschatta schenkte, war damit der Grundstein für die Islamische Abteilung des Museums gelegt. 1904 wurde die Abteilung eröffnet. Doch damit stellte sich die bis heute aktuelle Frage: Was ist überhaupt islamische Kunst? Wie ist sie wann entstanden?

Friedrich Sarre hatte zwar schon zuvor in Samarra systematisch gegraben und Ktesiphon, die Hauptstadt der altiranischen Parther und Sasaniden im heutigen Irak besucht, aber die erste deutsche Grabungsexpedition wurde erst 1928/29 unter der Leitung von Oscar Reuther in die einstige Metropole geschickt, um nach islamischer Kunst zu forschen. Dort zeugt der gigantische Taq-e Kesra, der „Bogen des Chosrou“, vom Glanz und Niedergang der Sasanidendynastie. Hier hatte der Schah-en-Schah, der König der Könige, seine Empfänge abgehalten. Der Typus der offenen Empfangshalle findet sich seitdem in der gesamten islamischen Architektur wieder.

Das Sasanidenreich wurde 637 von den Arabern erobert, aber damit verschwand ja nicht die Kultur der Menschen, die dort gelebt hatten. Wie dieser Übergang stattgefunden hat, versucht die Ausstellung „Das Erbe der Alten Könige. Ktesiphon und die persischen Quellen islamischer Kunst“ zu ergründen. Sie entstand in Zusammenarbeit mit einer Forschergruppe des Exzellenzclusters Topoi, der unter anderem Wissenschaftler der FU Berlin, der Humboldt Universität, des DAI, der HTW Berlin und der BTU Cottbus-Senftenberg angehören.

Vier Köpfe aus dem Alten Arabien, aus Ägypten, Palmyra und Iran begrüßen den Besucher im Mschatta-Saal und verdeutlichen die Vielfalt der Kulturen und Religionen vor der arabischen Eroberung. Mit ihr wurde das sasanidische Reich, das mit Rom und Byzanz konkurrierte, mit China und Indien Handel trieb, schachmatt gesetzt – ein Begriff, der aus dem Persischen kommt und „Der König ist tot“ bedeutet.

Prunkstücke der Ausstellung sind eine bronzene Königsbüste aus der Sarikhani Collection London sowie eine Jagdszene auf einem Bronzeteller. Ein Torso und ein wunderschöner Pferdekopf aus Stuck geben Rätsel auf, denn eindeutig kann man sie nicht als sasanidisch oder frühislamisch datieren. Die Waage neigt sich mehr zu frühislamisch wegen der Haarpracht des Pferdes – ein Beispiel für die Herkulesaufgabe des Topoi-Projektes, das drei Jahre lang 16 000 Funde der deutschen Expeditionen von 1928/29 und 1931/32 gesichtet hat. Ein riesengroßes Foto von 1888 zeigt den mächtigen Taq-e Kesra mit beiden Seitenwänden; die rechte war bei einer Flutkatastrophe zusammengestürzt, die Bewohner der umliegenden Dörfer hatten zudem die gebrannten Ziegel als Baumaterial entwendet.

Die Kirche nutzte Ktesiphon noch bis ins 8. Jahrhundert

Mit der Eroberung verlor Ktesiphon seine Bedeutung an Bagdad und Samarra, doch die Kirche nutzte den Ort noch bis ins 8. Jahrhundert als Bischofssitz. Davon zeugt eine prächtige Statue mit Resten von Bemalung, die unter einer sechs Meter dicken Schicht von Schutt begraben lag und daher in ihrer Farbigkeit weitgehend erhalten geblieben ist.

Auf einer Stirnwand wurde von Youssef El Khoury, dem Architekten der gesamten Ausstellung, mit Hilfe einer digitalen Rekonstruktion von Prof. Dominik Lengyel und Catherine Toulouse von der Universität Cottbus ein idealer Iwan 1:1 aufgebaut, in dessen verzierten Bogen Originalteile eines Iwans aus Ktesiphon integriert sind. Hier kann man wie in einem Iwan auf der Bank in Ruhe den vorzüglichen Film der Architekten der Universität Cottbus betrachten, der durch Überblendungen und Unschärfen die einzelnen Funde in einen Kontext setzt und aus den historischen Grabungsfotos Architekturrekonstruktionen erwachsen lässt. Hier erkennt man in der Fassade des Taq-e Kesra die Grundmuster des Iwans aus Assur wieder, der unten im Vorderasiatischen Museum vor dem Ischtar-Tor steht. Auch die Statue aus der Kirche wird in der filmischen Rekonstruktion in einen Raum gesetzt. Mit dieser modernen Methode erwachen archäologische Objekte zu neuem Leben.

Dass die Menschen im heutigen Irak nach der arabischen Eroberung einfach ihrem Alltag weiter nachgegangen sind, beweist die sehr informative Station rund um das Perlhuhn, das in sasanidischem Stuckdekor und später auf der frühislamischen Mschatta-Fassade häufig vorkommt. Das Perlhuhn hatte bei den Sasaniden ein positives Charisma – warum sollten die Künstler von Mschatta das nicht übernehmen? Vergleicht man die Stuckarbeiten der Sasaniden mit denen im Samarra-Raum, erkennt man die Fortsetzung der Tradition unter islamischer Herrschaft.

Im Buchkabinett des Museums sind farbenfrohe Miniaturmalereien ausgestellt, die die Geschichte des sasanidischen Königs und seiner christlichen Frau illustrieren. Und auch hier ist nachzuvollziehen, wie aus dem zoroastrischen Senmurv, einem geflügelten Pfau mit Hundekopf und Löwentatzen, im 11. Jahrhundert ein Simorgh, ein Schutzvogel mit Zauberkräften wird. Mit der Eroberung durch die Mongolen kommen später chinesische Elemente nach Iran – von nun an erscheint der iranische Simorgh als Phönix und ähnelt einem Drachen. Die Geschichten der alten Könige tauchen im Mittelalter in der persischen Literatur wieder auf, als vergnügliche Lektüre über die Heldentaten großer Männer.

Jagdschale7./ 8. Jh. n. Chr., Silber, vergoldet. Bei dieser Darstellung muss es sich um einen König auf der Jagd handeln, darauf deutet die typische Sichelkrone.
Jagdschale7./ 8. Jh. n. Chr., Silber, vergoldet. Bei dieser Darstellung muss es sich um einen König auf der Jagd handeln, darauf deutet die typische Sichelkrone.

© bpk, Museum für Islamische Kunst, SMB, Jörg P. Anders

Museumsbesucher sind aufgefordert, Fragen zu stellen

In der Ausstellung lassen sich viele solcher Bezüge herstellen. Sie zeigt, dass wir Äste von einem Stamm sind, dass auch die frühislamische Kultur allmählich Elemente aus der Spätantike, dem Mittelmeerraum und dem alten Orient übernommen hat, dort, wo so viele Völker und Religionen zusammenlebten. So gesehen ist diese Ausstellung auch vor der Neuordnung der Museumsinsel und der transkulturellen Bezüge bedeutsam.

Neu sind die interaktiven Möglichkeiten: Besucher sind eingeladen, Fragen zu stellen, die dann über Facebook wöchentlich beantwortet werden. Ein Ausstellungsführer für Kinder im Pixi-Format ist auf Deutsch, Englisch und Arabisch erhältlich und lädt dazu ein, die Ausstellung spielerisch zu entdecken.

Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum, bis 2. April 2017. Mo – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr.

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