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 "Rheinlegenden", so das Motto des Philharmoniker-Abends unter Gustavo Dudamel am Samstag in der Waldbühne.

© rbb/EuroArts/Thomas Rosenthal

Philharmoniker-Konzert in der Waldbühne: Walkürenritt mit Himmelsfäden

Das Sturmtief Rasmund beutelt auch das beliebte Saisonabschlusskonzert der Berliner Philharmoniker in der Waldbühne, diesmal mit Gustavo Dudamel. Aber die Berliner lassen sich die Laune nicht verderben.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber sie stirbt. Die Hoffnung nämlich, dass sich Sturmtief Rasmund, das seit Donnerstag apokalyptische Regenmassen über Berlin niedergehen ließ, bis Samstag Abend ausgetobt haben würde. Und dass das traditionelle Saisonabschlusskonzert der Berliner Philharmoniker wieder mal das werden würde, was es eigentlich sein will: ein lauer Sommerabend mit Picknick und Musik. Aber wer sind die Berliner, dass sie sich von so einer Kleinigkeit abhalten lassen würden? Die Waldbühne ist voll, ein Meer bunter Schirme trotzt der Tristesse, die in Schnüren und Fäden fällt. Eine zugleich stoische und heroische Entschlossenheit, sich den Abend nicht verderben zu lassen. Was macht es schon, dass nicht zu unterscheiden ist, ob die Tropfen am Glasrand vom Sekt oder vom Himmel kommen? Und überhaupt: Soll laut Wetterbericht der Regen nicht nachlassen?

Gustavo Dudamel honoriert die Treue nicht. Umstandslos, ohne Gruß und ohne den Hauch eines Flirts mit dem Publikum tritt er ans Pult – und beginnt sofort. Wesentlich überzeugender als in der Rolle des Gastgebers ist er in der des Dirigenten. Mit klassizistisch-ausgewogenem Tempo, das der Musik viel Raum zum Atmen lässt, gibt er den Besuchern genau das, was sie in dieser Situation brauchen, einen Ausflug in sonnig-heitere, rheinländische Gefilde mit Schumanns 3. Symphonie Es-Dur.

Beim Trauermarsch zu Siegfrieds Tod hört der Regen kurz auf

Am Rhein bleiben wir auch nach der Pause, mit Auszügen aus den vier Opern des „Ring des Nibelungen“. Mit sämig-goldenem Strich und vor allem im finalen Walkürenritt mit pompös-grandiosem Blech spielen die Philharmoniker auf. Einmal, als der Trauermarsch zu Siegfrieds Tod seinen musikalisch-dramatischen Höhepunkt erreicht, hört der Regen tatsächlich für einige Minuten ganz auf, sofort umspült der Klang völlig anders das Ohr. Ein Gefühl dafür stellt sich ein, was möglich gewesen wäre an diesem Abend.

Die "Berliner Luft" dirigiert Korzertmeister Daniel Stabrawa

Fragwürdig bleiben die diversen Konzertfassungen, die die Philharmoniker spielen. Vor allem der von Hermann Zumpe arrangierte „Einzug der Götter in Walhall“ enthält viel Musik, die nicht von Wagner stammt. Was spricht eigentlich gegen das Original? Auch Sänger hätten das Programm geschmückt. Außerdem zeigt sich mal wieder: Zerpflückt man Wagner und spielt nur die „schöne Stellen“, kann man es eigentlich auch gleich lassen. Eine Wagner-Oper ist wie eine gute Inszenierung von Frank Castorf. Sie will durchlebt und durchlitten sein, fünf, sechs, sieben Stunden lang. Weil man die augen- und ohrenöffnenden, epiphanischen Momente dann ganz anders wahrnimmt.

Maestro aus Venezuela: Gustavo Dudamel.
Maestro aus Venezuela: Gustavo Dudamel.

© Deutsche Grammophon/Richard Reinsdorf

Noch mehr Wagner als Zugabe, Auszüge aus „Tristan“ und „Lohengrin“. Dudamel vergibt auch die Chance, sich für die Lokalhymne „Berliner Luft“ in die Herzen der Zuhörer zu dirigieren, und überlässt den Stab Konzertmeister Daniel Stabrawa. Ist er in Gedanken zu sehr in Venezuela, wo gerade alles zusammenbricht? Auf dem Heimweg hat man viel Zeit, darüber nachzudenken. Inzwischen fällt kein Tropfen mehr. Der Wetterbericht hat nicht gelogen.

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