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Flämischer Malermeister. „Ecce homo“ von Peter Paul Rubens (vor 1612, Staatl. Eremitage, Sankt Petersburg).

© li. bpk / RMN –Grand Palais; re. The State Hermitage Museum, Sankt Petersburg 2017

Peter Paul Rubens-Ausstellung in Frankfurt: Ein Steinbruch von Ideen

Peter Paul Rubens schöpfte für seine Kunst aus Antike und Renaissance. Das Städel Museum in Frankfurt am Main stellt die Werke des niederländischen Malerfürsten seinen Inspirationsquellen gegenüber.

Ein antiker, römischer Marmor, „Zentaur, von Cupido gezähmt“, reckt sich weißleuchtend gleich am Eingang der Ausstellung des Städel Museums in Frankfurt am Main. Anderthalb Jahrtausende später malt Peter Paul Rubens eine „Dornenkrönung“. Die beiden Sujets könnten einander kaum fremder sein – hier eine Figur aus der heidnischen Götterwelt, dort der gepeinigte Christus am Beginn seines Leidensweges. Nur: Was thematisch fern ist, liegt ikonografisch ganz nah beieinander. Rubens, der flämische Malerfürst (1577–1640), überträgt den muskulösen Oberkörper des Zentauren in seinen Christus, mit denselben, hinter dem Rücken verschränkten Armen, die leichte spannungsreich gedrehte Körperhaltung, beglaubigt durch den ebenfalls leicht gewendeten Kopf.

„Rubens – Kraft der Verwandlung“ ist die Ausstellung überschrieben, die das Städel gemeinsam mit dem Kunsthistorischen Museum Wien erarbeitet hat und nun als zweite Station zeigt. Für Frankfurt zeichnet Jochen Sander verantwortlich, der eine Altmeister-Ausstellung nach der anderen auf die Beine stellt, sein Wiener Partner war Stefan Weppelmann, den die Berliner Gemäldegalerie 2015 an das Wiener Haus verloren hat.

Er bleibt von seiner dramatischen Familiengeschichte unberührt

In Wien zählt Rubens naturgemäß zu den Hausgöttern, bediente der im Antwerpen residierende und in halb Europa tätige Flame doch den Bildbedarf der katholischen Kirche und Fürstenhöfe in qualitativ wie quantitativ herausragender Weise. Dabei ist Rubens bis zum 12. Lebensjahr in Köln aufgewachsen, hatte sein calvinistischer Vater doch aus den konfessionell zutiefst gespaltenen Niederlanden emigrieren müssen, ehe er spät zum Katholizismus übertrat. Der Sohn blieb von dieser dramatischen Familiengeschichte merkwürdig unberührt; früh als Maler hervorgetreten, diente er vorzugsweise katholischen Herren, was ihn andererseits nicht daran hinderte, auch dem anglikanischen König von England zu Diensten zu sein, so dass Charles II. ihn in den Ritterstand erhob.

Als solcher, als ein aus dem Patriziat noch eine Stufe weiter emporgestiegener Neu-Aristokrat, hat er sich 1639, ein Jahr vor seinem Tode gemalt, mit allen Attributen, die einem Adligen zukamen, dem Schwert, den Handschuhen, der ganzen Positur. So hängt das Gemälde in der Frankfurter Ausstellung, freilich ein bisschen verloren, geht es doch dieser Übersicht nicht um eine allgemeine Ausbreitung von Rubens-Werken, sondern um das spezielle Verhältnis seiner Malerei zu künstlerischen Quellen, der Antike zum einen, der Renaissance und vor allem dem bewunderten Tizian zum anderen.

Schoßkind des Glücks

Rubens als Schoßkind des Glücks zu bezeichnen, geht nicht fehl und trifft es doch nicht ganz, denn sein Glück hat er mit der Leistung desjenigen unterfüttert, der ein überreiches Talent in ertragreiche Bahnen zu lenken verstand. Rubens dirigierte eine kopfstarke Werkstatt, er lieferte die Vorlagen und legte Hand je nach Auftrag und Entlohnung an. Jochen Sander weist darauf hin, dass er sich nie mit Attributen des Malerberufs darstellte, galt doch Handarbeit zumal in derjenigen sozialen Schicht, die er glanzvoll repräsentierte, als unwürdig. Nicht zuletzt reiste Rubens mehrfach in diplomatischer Mission und führte den Malerpinsel nur so im Handgepäck mit.

Das ist, wie gesagt, nicht Gegenstand der Wien-Frankfurter Ausstellung. Sie zeigt – und will man den Kuratoren glauben: erstmals – den engen Bezug Rubens’ zu den vor allem während seiner in Italien verbrachten Lehrjahre studierten Vorbildern. Die Hunderte von Zeichnungen, die er in Rom als dem Ort der Antiken-Ausgrabungen systematisch anfertigte, hütete er zeitlebens als Bildervorrat, aus dem er schöpfte und den er nach Belieben kombinierte. So wurde aus der antiken „ruhenden Venus“ wahlweise eine „frierende“ oder „trauernde Venus“, im sinnlichsten Saal des Städel.

In ihm wird man gewahr, wie sehr sowohl Antike und Renaissance als auch der katholische Hochbarock der Anmut des weiblichen Körpers zugetan waren und allenfalls ein kirchlicher Würdenträger Anstoß nahm – an dem ausgerechnet von Philipp IV. von Spanien in Auftrag gegebenen „Urteil des Paris“, einem Spätwerk von 1639. Im Städel hängt das Breitwandbild aus dem Madrider Prado so, dass die von Zeitgenossen gerühmte Fertigkeit des Malers in der Darstellung der lebendigen, durchpulsten Haut ganz aus der Nähe zu bewundern ist. Einmal vorausgesetzt, der Besucher erwischt eine stille Minute in dieser zum Publikumsmagneten prädestinierten Ausstellung.

Nähe der unterschiedlichen Maler-Heroen

Im Städel sind die von Rubens „anverwandelten“ antiken Skulpturen meist nur als Gipsabgüsse zu sehen, doch sinnreich bezogen auf benachbarte Gemälde. Die „Aemulatio“ der barocken Kunsttheorie, die Weiterentwicklung und mehr noch Überbietung, von der im begleitenden Katalog ausführlich die Rede ist, lässt sich auch ohne dessen Studium unmittelbar begreifen. So werden der bereits 1420 ausgegrabene, in den folgenden Jahrhunderten als eines der absoluten Meisterwerke der Antike geltende „Torso Belvedere“ wie auch der hellenistische „Torso Gaddi“ in Altarbildern wie dem „auferstandenen Christus“ oder dem „Hl. Augustinus zwischen Christus und der Madonna“ zitiert, beide um 1615.

Zudem sind zwei, drei Gemälde von Tizian eingestreut, die – wie „Venus und Cupido“ von 1560 – eine ganz frappierende Nähe der weniger durch ein paar Jahrzehnte als durch zwei sehr unterschiedliche Kunstepochen voneinander getrennten Maler-Heroen offenbaren. Nicht weniger als 35 Tizian-Bilder hat Rubens in großformatigen Zeichnungen kopiert.

Eine Augenweide mit tollen Leihgaben

Die ganz großen Altarbilder allerdings, für die die Rubens-Werkstatt berühmt war, sind in Frankfurt schon aus Raumgründen nicht zu sehen, wie überhaupt gegenüber der Wiener Erstpräsentation eine ganze Reihe wichtiger Bilder fehlen. Doch ist ohnehin staunenswert, was das Städel – „Wir haben vielleicht nicht viel Rubens, aber wir haben viele Ideen!“ – aus Spitzenmuseen aller Herren Länder hat ausleihen können, vom Louvre über die Eremitage bis zum Getty Museum. „Heutzutage ist die Schlüssigkeit der Ausstellungsthese die Maßgabe, um überhaupt noch Leihgaben zu bekommen“, erklärte Kurator Sander selbstbewusst – und er hat ja recht. Die These dieser Ausstellung überzeugt, und sie ist glänzend belegt, nicht als Schulmeisterei, sondern als Augenweide. Dass Kunst von Kunst kommt, das ist eine Plattitüde; dass aber Können von Können kommt, wurde derart beglückend noch selten vorgeführt.

Frankfurt/Main, Städel Museum, Dürerstr. 2, bis 21. Mai. Katalog 39,90 €. www.staedelmuseum.de

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