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Virtuose. Der Pianist Nobuyuki Tsujii.

© Yuji Hori

Nobuyuki Tsujii spielt Chopin: Hymnen und Gesänge

Zweites Programm mit Vladimir Ashkenazy und dem Deutschen Symphonie-Orchester. Zu Gast: der Pianist Nobuyuki Tsujii.

Diese alte Liebe hat wirklich keinen Rost angesetzt: 18 Jahre liegt Vladimir Ashkenazys Abschied als Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters zurück – und doch hat es beim Doppelgastspiel des 79-jährigen Russen in Berlin jetzt sofort wieder gefunkt. Schon das Schostakowitsch-Majskowski-Programm in der vergangenen Woche wurde zum bewegenden Abend, am Montag nun scheinen Musiker und Maestro noch vertrauter miteinander. Sichtlich voll Tatendrang eilt Ashkenazy auf die Bühne – und applaudiert dann schon nach dem ersten Stück dem Orchester.

Das DSO folgt ihm vom ersten Takt an aber auch mit voller Konzentration und Hingabe. Gabriel Faurés „Pelléas et Mélisande“-Suite entfaltet sich da organisch und ungemein feingliedrig: Alles ist sprechende Klanggeste, fließende Eleganz, in der „Sicilienne“ schiebt Ashkenazy nicht nur die berühmte Flötenmelodie in den Vordergrund, sondern bemüht sich darum, das ganze, komplexe Geflecht der Stimmen hörbar zu machen, die hier miteinander kommunizieren.

Schnelle Sätze mit extrem weichen Anschlag

Derart mit sanfter Hand aus der Alltagsgeräuschkulisse heraus und in den Kosmos zarter Zwischentöne hineingeführt, ist das Publikum bereit für Nobuyuki Tsujiis Interpretation von Frédéric Chopins 2. Klavierkonzert: Der blinde japanische Pianist wählt für die schnellen Sätze einen extrem weichen Anschlag, scheint in den virtuosen Passagen die Finger kaum von den Tasten abzuheben. Wer sich hier mehr Kontur gewünscht hätte, den entschädigt Nobuyuki Tsujii durch größtmögliche Klarheit im Larghetto-Satz. Wie ein besonders reiner Gesang entwickelt sich die Solostimme, selbstbewusst und rhetorisch versiert.

Zum Geschenk Ashkenazys an die geschätzten Musikerinnen und Musiker werden anschließend Edward Elgars 1899 uraufgeführte „Enigma-Variationen“, ein opulentes Opus, mit dem jedes Orchester glänzen kann. Eine Chance, die sich das DSO nicht entgehen lässt. Schon das eigenwillige, hymnenhafte Thema erfüllt die Philharmonie mit pathetischer Prächtigkeit, die Folge von Vignetten, in denen Elgar seine Freunde porträtiert hat, bleibt bis zuletzt spannend und abwechslungsreich, auch weil Vladimir Ashkenazy die alte Geschichtenerzähler-Weisheit beherzigt, die Extreme nicht zu scheuen.

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