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Still aus der Video-Installation "Touch"

© Galerie Carlier Gebauer

Neue Fiilme von Asta Gröting: Hautarbeit

Seit 30 Jahren beschäftigt sich die Künstlerin Asta Gröting den menschlichen Körper. Ihre jüngsten Werke sind in der Galerie Carlier Gebauer zu sehen

Der Mensch ist eine Hülle mit Inhalt. Ein Körper im Raum. Aber wo sitzen die Gedanken, wo der Geist, wo das Soziale? Wie lässt sich all das Unausgesprochene zwischen den Menschen in eine materielle Form bringen?

Die Künstlerin ist eine Expertin für Zwischenräume

Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Künstlerin Asta Gröting. Mit ihren raumgreifenden Skulpturen wurde Gröting schon vor 30 Jahren berühmt. Im Laufe ihrer Karriere goss sie inneren Organe von Menschen und Tieren in raumgreifende Skulpturen aus Silikon oder Glas, schnitzte das Nervensystem einer Hand in Holz oder bildete den Raum zwischen zwei Liebenden beim Geschlechtsakt in Latex ab. Die in Berlin lebende Bildhauerin ist eine Expertin für Zwischenräume und Abdrücke. Sie stülpt das Innere nach außen, im konkreten wie metaphorischen Sinn, seit Beginn der 90er Jahre verstärkt auch mithilfe des Mediums Video. Was wie ein Bruch wirken mag, die Wende von der Bildhauerei zum Film, ist nie einer gewesen. Das sieht man in Grötings Ausstellung in der Galerie Carlier Gebauer.

Im Zentrum steht die neue Videoinstallation „Touch“. Die Arbeit ist in Kinoleinwandgröße in die hohen Räume der Galerie projiziert. Gröting porträtiert in dem Film elf Menschen aus ihrem persönlichen Umfeld. Jede Person steht der Künstlerin einige Minuten gegenüber und schaut ihr direkt in die Augen, während Gröting die Gesichter der Freunde, Kollegen und Familienmitglieder mit den Händen betastet. Vor der riesigen Leinwand stehend, wird der Galeriebesucher Zeuge eines intimen Augenblicks. Man erahnt die Neugier der Bildhauerin, deren Finger Umrisslinien und Proportionen begreifen wollen. Doch jenseits des Körperlichen offenbart sich mehr. Genau darin liegt die Qualität von Grötings Werk, sie bildet Zwischenräume ab, macht Beziehungen sichtbar.

Gröting lässt einen indianischen Bauchredner erzählen

An einem Gesicht machen sich die Finger mächtig zu schaffen. Sie drücken gegen die Stirn, kneifen in die Wangen, ziehen an der Partie rund um die Augenbrauen. Als wollten sie genau wissen, wo die Haut endet und der Schädel beginnt. Bei der nächsten Person legt sich die Hand immer wieder behutsam um Kinn und Wangen. Und beim Gesicht eines jungen Mannes glaubt man zu sehen, dass die Finger jede Erhebung, die sie erspüren, jede Regelmäßigkeit und Unregelmäßigkeit, die sie ertasten, mit verzücktem Staunen zur Kenntnis nehmen. Was ist das? Mutterstolz? Der Eindruck ist subtil, mehr Ahnung als Gewissheit.

Eine andere Form von Intimität vermittelt Grötings zweite Arbeit. Es ist ein Videoporträt des indianischen Bauchredners Buddy Big Mountain. Der Mann erzählt von den Großeltern, die unterschiedlichen Stämmen angehörten, von seinen Auftritten in indianischen Themenparks, von Ausgrenzung und Erfolg. Und wieder vermittelt sich, zusätzlich zur Geschichte eines Individuums, ein viel größeres Bild: das Drama der Ureinwohner Amerikas.

Mit Buddy Big Mountain hat Gröting bereits in einer früheren wichtigen Werkserie zusammengearbeitet. Verschiedene Bauchredner führen Dialoge mit einer von Gröting gestalteten Puppe. Sie sprechen mit ihrer inneren Stimme, die sie maßregelt, fertigmacht oder ermuntert. Das bleibt der rote Faden in Grötings Arbeit: Was unausgesprochen bleibt, bekommt in ihrer Kunst Raum.
Galerie Carlier Gebauer, Markgrafenstr. 67; bis 6.2., Di–Sa 11–18 Uhr

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