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Chester Bennington 2014 bei Rock am Ring.

© Thomas Rey/dpa

Nachruf auf Chester Bennington: Schrei deine Dämonen an

Stimme des Nu Metal: Zum Tod des Linkin-Park-Sängers Chester Bennington.

Ein Stuhlkreis in einem schummrigen Raum. Vielleicht Anonyme Alkoholiker oder Ex-Drogenabhängige. Ein Mann mit raspelkurzen Haaren und Hornbrille kommt dazu. Bald beginnt er einen Streit, schubst einen anderen Teilnehmer, stürmt raus. Auf der Toilette sieht man, mit wem er wirklich kämpft: mit sich selbst. Er prügelt sich mit einem Mann, der aussieht und wie sein Zwilling. Die beiden verwüsten alles um sich herum.

Der Videoclip zur Linkin-Park-Single „Heavy“ ist genauso deutlich wie der Text dieses melancholischen Mid-Tempo-Popsongs: „I’m holding on / Why is everything so heavy? / Holding on / So much more than I can carry / I keep dragging around what’s bringing me down / If I just let go, I’d be set free“, singt Chester Bennington mit verzweifelt nach oben strebender Stimme zu einem reduzierten Beat.

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Ein typischer Linkin-Park-Text, zu einem weniger typischen Linkin-Park-Sound. Denn das im Mai erschienene siebte Studioalbum war deutlich poppiger und sanfter, als man es von der Gruppe aus Los Angeles gewohnt war. Die Kritiken zu „One More Light“ fielen zu Recht eher verhalten bis negativ aus.

Sein Todestag ist der Geburtstag des Soundgarden-Sängers Chris Cornell

Doch angesichts des Todes von Chester Bennington erscheinen die zehn Songs in einem anderen Licht. Hört man den Sänger im Eröffnungsstück „Nobody Can Save Me“ vom Tanz mit seinen Dämonen singen und davon, dass ihn niemand retten kann, denkt man, dass es hier um seine Depression geht und er die Dunkelheit nicht – wie in der letzten Strophe – verscheuchen konnte. Denn offenbar hat sich Bennington in seinem Haus in L.A. das Leben genommen. Am 20. Juli, dem Geburtstag des im Mai verstorbenen Soundgarden-Sängers Chris Cornell. Er war ein guter Freund des Linkin-Park-Sängers.

Chester Bennington kam 1976 als Sohn einer Krankenschwester und eines Polizisten in Phoenix, Arizona, zur Welt. Von den Eltern, die sich scheiden ließen, als er elf war, fühlte er sich vernachlässigt. Ein älterer Freund missbrauchte ihn jahrelang. Bennington begann zu zeichnen, zu dichten und Drogen zu konsumieren. „Ich nahm alles. Es wurde wirklich schlimm. Bis ich 16 war, nahm ich tonnenweise LSD und trank sehr viel“, erinnerte er sich später im Interview mit einem Rockmagazin.

Mit 17 wurde er Sänger der Rockband Grey Daze, die er nach zwei Alben verließ und nach Los Angeles zog, wo er sich 1999 Linkin Park anschloss. Bennington war die perfekte Ergänzung der unter dem Namen Xero gegründeten Gruppe. Gleich das Debütalbum „Hybrid Theory“ (2000) wurde ein Erfolg. Innerhalb weniger Monate verkaufte es sich über sieben Millionen Mal, bis heute 30 Millionen Mal.

Er schrie den Schmerz über seine unverheilten Wunden heraus

Der im Albumtitel angesprochene hybride Stil, die Mischung von Rock- und Rap-Elementen, war das Markenzeichen der Band.  Wobei Mike Shinobas Sprechgesänge stets von Bennington überstrahlt wurden, dessen intensiver Leadgesang zwischen Aggression und Introspektion pendelte. Wie er sich etwa im Refrain von „Crawling“ den Schmerz über seine nicht verheilenden Wunden herausschreit, um in den Strophen ganz ruhig über sein Leben zu reflektieren, ist beeindruckend. Sicher hatte es auch einen kathartischen Effekt für den Sänger.

Mit „Meteora“ schlossen Linkin Park 2003 an das Hit-Debüt an und festigten ihren Status als Protagonisten des Nu Metal, zu dem auch Korn, Limp Bizkit und die Deftones gezählt wurden. Ihre späteren Platten waren weniger überzeugend. Bennington, der sechs Kinder aus zwei Ehen hat, kämpfte mit der Musik weiter gegen seine Dämonen. Dass sie den 41-Jährigen nicht retten konnte, ist bitter. „One More Light“ leuchtet nun im Rock’n’Rock-Himmel.

Hilfe bei Depressionen und in Krisensituationen: Die Berliner Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar, sie berät auch Angehörige und Freunde Betroffener anonym: 0800-1110111, www.telefonseelsorge-berlin.de

Der Berliner Krisendienst ist rund um die Uhr unter der 39063-10, -20 usw. bis -90 zu erreichen, www.berliner-krisendienst.de

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