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Albtraumland. Falscher Hauptmann (Maximilian Nowka), echter Militarismus.

© H. Stang

Musical „Der Hauptmann von Köpenick“: Als in der Stadtkasse noch Bares lag

Das Musical „Der Hauptmann von Köpenick“ beim Sommerfestival im Admiralspalast ist dicht am preußischen Untertanengeist inszeniert.

Preisfrage: Was fällt Ihnen zum Stichwort „Köpenick“ ein? Tolle Seen und Flüsse? Das Schloss, eines der wenigen erhaltenen barocken Gebäude in Berlin? Natürlich nicht. Da war doch was mit dem Hauptmann! Dass vorm Rathaus eine Statue des Schusters Wilhelm Voigt steht, hat seinen guten Grund, der Bezirk hat ihm eine Menge zu verdanken. Denn Voigt hat die damals noch selbstständige Stadt Cöpenick zwar lächerlich, aber schlagartig in ganz Deutschland bekannt gemacht, als er 1906 in falscher Uniform den Bürgermeister verhaften ließ und die „Stadtkasse“ stahl – die damals offenbar einfach als Bargeld im Büro herumlag. Der Kaiser begnadigte ihn später, einer der raren Momente, in denen der oberste Uniformträger des Reiches sympathisch und souverän re(a)gierte.

Der Stoff ist oft verarbeitet und mit Heinz Rühmann oder Harald Juhnke auch verfilmt worden. Seit 2015 zeigt Autor und Produzent Heiko Stang sein Musical „Der Hauptmann von Köpenick“ am originalen Schauplatz, im Rathaushof Köpenick. Jetzt ist er damit ins Zentrum der Stadt gezogen, in den Admiralspalast. Hier stolpert nun Maximilian Nowka als Wilhelm Voigt durch Amtsstuben, Polizeibüros und Kneipen – und durch eine auch im Zivilen erschreckend durchmilitarisierte Gesellschaft, in der Ränge alles sind, in der das Anlegen einer Uniform Wunder bewirkt und das Selbstbewusstsein auf ähnliche Weise steigert wie heute der Kauf eines Porsche Cayenne.

Das Musical orientiert sich am Drama von Carl Zuckmayer, das 1931 nur wenige Schritte weiter am Deutschen Theater uraufgeführt wurde. Und auch wenn Zuckmayer natürlich vieles satirisch zuspitzt: Wenn nur die Hälfte davon stimmt und es wirklich so zugegangen ist damals in Deutschland, dann lebte ein ganzes Volk in seiner eigenen Filterblase, und das Taumeln in den Ersten Weltkrieg erscheint völlig konsequent.

Man hätte einiges straffen können

Maximilian Nowka spielt und singt Voigt als brav-verhuschten, von seiner Knastvergangenheit traumatisierten Kleinkriminellen und Gesellschaftsverlierer, gefangen im Teufelskreis: Ohne Arbeit keine Aufenthaltsgenehmigung, ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeit. Die Wandlung seiner Figur, sobald sie sich die Hauptmannsuniform angelegt hat, gelingt ihm verblüffend überzeugend: Plötzlich ist da Schneid, knallen die Hacken. Leider dauert es eine Weile, bis es soweit ist. Von zweieinhalb Stunden Aufführungsdauer erzählen zwei die Vorgeschichte des Geschehens, von Voigts Demütigungen unter anderem in der Schuhfabrik „Axolotl“ und der Beziehung zu seiner Schwester Marie (Ina Wagler-Fendrich) und Nichte Liesken (Juliane Maria Wolff). Da hätte man einiges straffen können.

Während das Symphonic Pop Orchestra hinter den Kulissen die musikalische Mischung aus Moritaten, Märschen und zuckrig-romantischen Duetten interpretiert, ist das alles sehr dicht am preußischen Untertanengeist entlang inszeniert. Weniger Bierernst, mehr ironische Gelassenheit und Distanz zum Sujet täten dem Abend gut. Wie sie ja auch manchmal aufscheinen, etwa im „Picknick an der Spree“ mit dem Harzer Käse-Chor. Aber das Potenzial, das in dem grotesken Geschehen steckt, wartet noch auf einen wirklich heutigen Zugriff.

Weitere Aufführungen bis 6. August

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