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Mensch, Papa! Monsieur Claude (Christian Clavier, rechts) mit André Koffi (Pascal Nzonzi).

© Neue Visionen

Multikulti-Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“: Marseillaise für alle

Großer Multikulti-Spaß aus Frankreich: Philippe de Chauveron schreibt mit der Komödie "Monsieur Claude und seine Töchter" die Idee von "Ziemlich beste Freunde" fort.

Das feudale Standesamt sieht aus wie ein Sahnebaiser. Hier feiern die Töchter des wohlsituierten Notars Claude Verneuil (Christian Clavier) ihre Hochzeiten. Bei jedem Jawort zu Beginn von Philippe de Chauverons Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ jubelt die Entourage in festlicher Couture, zittern pastellige Hutkreationen unter gemessenem Applaus, freudigen Glückwunschrufen oder aber enthusiastischen Trillern – je nach kultureller Sitte der Gäste.

Wie schon der Komödienhit „Ziemlich beste Freunde“ verschiebt de Chauverons Film sein sympathisches Plädoyer für die Überwindung des Clashs der Kulturen zwischen Franzosen alten Schlags und Nachkommen einstiger Zuwanderer aus dem Reich der Vorstadtghettos in die inneren Zirkel der französischen Bourgeoisie. Beide Filme schwelgen in der gepflegten Pracht ihrer Schauplätze, stellen die üppigen Accessoires klassischer Wohlhabenheit aus.

Wenn Omar Sy mit seinem gelähmten Schützling in dessen Luxuskarosse durch Paris rast, steht das komplette Ensemble symbolischer Schönheit der Hauptstadt für ihre berauschende Lebenslust ein. Wenn Monsieur Claude vor lauter Frust über seine Töchter aus seinem schlossähnlichen Anwesen flüchtet und beim Angeln über Charles Trenets berühmtem Chanson „Ma douce France“ Tränen der Melancholie verdrückt, schließt de Chauverons Erfolgskomödie an Momente kollektiver Erinnerung an. In der Kapitale wie in der Provinz, Frankreichs althergebrachte Schönheiten wanken nicht. Im Gegenteil: Auf der Dialogebene ziehen die Komödien wildeste Ressentiments durch den Kakao, aber anders als in britischen Sozialkomödien verhandelt hier die Oberklasse die Spielregeln ihrer multikulturellen Öffnung.

Die bunten Vögel, die das Fremde verkörpern, provozieren, aber im Kern – so der politisch nicht unkorrekte Witz von „Monsieur Claude und seine Töchter“ – sind sie echte Franzosen. Ist es vorstellbar, dass in einer deutschen Multikultikomödie das Deutschlandlied geschmettert wird, um seine Zugehörigkeit zu beglaubigen? In französischen Filmen wie beispielsweise auch in der wunderbar leichten Genderkomödie „Maman und ich“ bieten die Neurosen, Konventionen und Normen der Reichen eine üppige Rezeptur fürs Wohlfühlkino, doch es wird oft mit der Bourgeoisie gelacht, nicht gegen sie.

Identitätspolitik in vergleichbarer sozialer Höhenlage tendiert in deutschen Filmen eher zum Drama. Multikultikomödien à la „Almanya – Willkommen in Deutschland“ der Schwestern Samdereli kreisen satirisch durchsetzt um die Gastarbeiter und ihre Nachkommen, „Türkisch für Anfänger“ um das gängige Coming-of-Age-Problem, wieder zugespitzt auf Generationenkonflikte mit durchgeknallten 68er-Eltern. Deutsche Komödien, meint der Kritiker Georg Seeßlen, zeigten Körper, französische dagegen Räume – hauptstädtische oder regionale Zugehörigkeiten und scharf umrissene, in die Komik gewendete soziale Milieus, könnte man auch am Beispiel der treffenden Dialektparodie in „Willkommen bei den Sch’tis“ ergänzen.

Die Töchter verbieten bei Tisch potenzielle Reizthemen

In „Monsieur Claude und seine Töchter“ machen der Brautvater und seine um Toleranz bemühte Gattin Marie (Chantal Lauby) gute Miene zu einem Spiel, das ihrem Weltbild zufolge aus dem Ruder läuft. Die älteste Tochter Isabelle (Frédérique Bel) hat ihren arabischstämmigen Anwaltskollegen Rachid (Medi Sadoun) geheiratet, die Zahnärztin Odile (Julia Piaton) den großen Jungen David (Ary Abittan), einen ewigen Existenzgründer mit jüdischen Wurzeln. Ségolène, die Künstlerin, ist Gattin des smarten chinesischen Jungbankers Chao (Frédéric Chau). Eigentlich alles in Butter, wäre da nicht Laure (Élodie Fontan), die Jüngste, eine erfolgreiche Fernsehfrau, die ihren Charles (Noom Diawara), einen Theaterschauspieler von der Elfenbeinküste, heiraten möchte. Schön, dass wenigstens dieser Bräutigam angemessen katholisch ist, denken die Brauteltern, aber als sie ihn das erste Mal zu Gesicht bekommen, halten sie ihn für den Fahrer ihrer Tochter.

So kommt es, dass sich die Töchter sorgen, ob sie nicht doch die Toleranz der Eltern zu sehr strapazieren. Sie sind es, die ihre Partner an die Kandare nehmen und all die heiklen Themen verbieten, die bei Tisch zu Ärger führen könnten. Ihre Partner fetzen sich kumpelhaft drastisch, werfen einander vorurteilsbeladene Sprüche an den Kopf, die Monsieur Claude aus dem Herzen sprechen. Das jüdische Beschneidungsritual wird als barbarisch abgefertigt, der chinesische Schwager als undurchsichtiger Dauerlächler verspottet, der erfolglose jüdische Schwager an den Stereotypen zum jüdischen Geschäftssinn gemessen und der afrikanische Neuling in der Runde kurzerhand der Promiskuität verdächtigt, aber all die locker servierten Hässlichkeiten lösen sich auf, wenn die Schwiegersöhne augenzwinkernd zur Christmette mitgehen und inbrünstig die Marseillaise anstimmen.

Das Ensemble sprudelt am laufenden Band Tabus heraus und gibt sie dem Gelächter preis. Auch wer seine Wahlstimme Marine Le Pen gegeben hat, findet im schadenfrohen Schlagabtausch der Großfamilie viele angebliche ethnische Defizite wieder, ohne indes in militanten, fundamentalistischen rechten Ressentiments bestätigt zu werden.

Doch die frechen Zyniker halten alle mit, verfügen über das nötige Kleingeld, pflegen die Ein-Ehe und das Kinderkriegen und respektieren die Besonderheiten der anderen. Wie kindische Brüder halten die Schwiegersöhne fest zur traditionellen Großfamilie, wenn ihre Frauen sie zur Raison gebracht haben.

Alles in dieser Ensemblekomödie spitzt sich auf den Konflikt der verbohrten Väter zu. Monsieur Claude und sein Gegenspieler André (Pascal Nzonzi), der Vater des Bräutigams von der Elfenbeinküste, giften mit bösen Reminiszenzen an die Kolonialzeit gegeneinander, bis sich selbst diese Patriarchen in einer vorsichtig konstruierten Slapstick-Dramaturgie finden und einem optimistischen Finale nichts mehr im Wege steht. In einer Zeit, in der xenophobe Parolen der französischen Rechten ein ultrakonservatives Stimmungsbild in der Bevölkerung spiegeln, spricht die de Chauverons Komödie mit mehreren Zungen. Gut gelaunt betreibt er positive Multikulti-Integration in den glänzenden Kosmos der traditionellen Familie.

In 15 Berliner Kinos; OmU: Central Hackescher Markt, Cinema Paris, International, Kino i. d. Kulturbrauerei, Neues Off

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