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„Glück“ als Ziel ihrer Musik: Die japanische Klangkünstlerin Midori Takada.

©  Mark Slater

Midori Takada im HAU: Schmetterling im Paradies der Träume

Magische Schwebezustände: Die japanische Meister-Perkussionistin Midori Takada präsentiert himmlische Klänge im Hebbel am Ufer.

Wenn die Tage kürzer und die Gesichter länger werden, freut man sich besonders über Musik, die aus der zunehmenden Dunkelheit in eine kuschelige Klangwelt entführt: Sinnlich, ästhetisch, atmosphärisch, meditativ – so könnte man die Musik von Midori Takada beschreiben, die schon in den Siebzigern als Schlagzeugerin mit den Berliner Philharmonikern spielte. Vor kurzem hat sie „Glück“ als das primäre Ziel ihrer Musik bezeichnet.

Mit oberflächlichem Wellness-Geplätscher hat die 1951 in Tokio Geborene allerdings nichts zu schaffen. Im Gegenteil: Nachdem ihr die westliche Klassik zunehmend Kopfweh bereitete, weil „ihr Geist nicht darauf beruht, das innere Selbst zu stärken“, setzte sie sich intensiv mit afrikanischen und asiatischen Perkussionstraditionen auseinander. Und dachte sich eine kontemplative Musik aus, die manchmal an die Klöppelarbeiten von Minimal-Pionier Steve Reich oder die Ambient-Klassiker von Brian Eno erinnert, dabei aber von ganz eigener, außerordentlichen Sensibilität geprägt ist, die den Hörer auf wundersame Weise wie einen Schmetterling durch ein Paradies der schönen Träume flattern lässt.

Die Qualität magischer Schwebezustände kann man besonders auf ihrem Debütalbum „Through The Looking Glass“ (1983) erleben, das sich zum heiligen Gral der Ambient- Szene entwickelt hat und erst 2017 wiederveröffentlicht worden ist, ebenso wie ihre Zusammenarbeit mit Jazz-Pianist Masahiko Satoh auf „Lunar Cruise“ (1990). Was für ein Glück! Nicht nur für den Schallplatten-Connaisseur und zahlreiche Chill-Out-DJ’s, sondern auch für Takada selbst, die plötzlich als gefragte Solo- Künstlerin auf der Bühne steht und gerade auf einer Welttournee unterwegs ist, die sie jetzt auch ins HAU 1 geführt hat.

Ein Hauch von Glückseligkeit

Die 65-jährige Meister-Perkussionistin tippelt vorsichtig auf die Bühne, erzeugt mit einer Klangschale einen leisen Sinuston, bevor sie am großen Gong rituelles Beben und Rumoren entfesselt. Mit hochkonzentrierten Tai- Chi-Bewegungen wirbelt sie zwischen aufgestellen Becken umher und trägt mit tänzerischen Gesten des Kabuki-Theaters knappe Texte auf Japanisch und Englisch vor. Am schönsten wird es immer dann, wenn sie sich übers Marimbaphon beugt und aus absoluter Stille eine Musik voll innerer Spannung und atemberaubender Dichte schält – polyphon geschichtete Klangmuster, deren Verzahnung in einen transzendentalen Schwebezustand führt, bis ein butterweiches Flirren und Pulsen entsteht. Es setzt sich so zärtlich in den Kopf, als würde sich eine Blüte im Zeitraffer entfalten.

Dabei scheint Takada tief in sich hineinzulauschen und die innere Musik dann wieder so zu entlassen, dass das Klappern der Hölzer am Ende tatsächlich so etwas wie einen Hauch Glückseligkeit hinterlässt. Eine himmlische Musik, die nur vorübergehend in der wirklichen Welt erklingt. Jedenfalls ist der Hörer nicht mehr in der gleichen Realität wie vorher. Aber das merkt man erst nach Erwachen aus dem Traum, in den man geklöppelt wurde, mit feinsten dynamischen Details, tänzerisch und impulsiv, sich steigernd bis zum Gewitter am Schlagzeug-Set, das das Klischee japanischer Trommelpräzision noch übertrumpft.

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