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Der New Yorker Filmemacher Woody Allen.

© dpa

"Magic in the Moonlight": Woody Allen im Interview: „Ich bin ein romantischer Realist“

Blick in die Trickkiste: Regisseur Woody Allen über Schwindler, Illusionen und seinen Film „Magic in the Moonlight“, der am Donnerstag in die Kinos kommt.

Mister Allen, Magie – das Thema von „Magic in the Moonlight“ mit Colin Firth und Emma Stone – hat in Ihren Filmen schon oft eine wichtige Rolle gespielt. Woher kommt Ihr Faible für Zauberei?
Ich habe mich als Junge in der Amateurzauberei versucht. Tagelang saß ich in meinem Zimmer und habe Tricks mit Zigaretten, Karten, Münzen oder Handschellen ausprobiert. Ich habe viele Bücher dazu gelesen und bin dabei darauf gestoßen, dass es während der Zwanziger in den USA und Europa eine Welle von spirituellen Scharlatanen gab. Sie zogen den reichen Leuten das Geld aus der Tasche, indem sie so taten, als könnten sie die Zukunft vorhersagen oder mit den verstorbenen Verwandten ihrer Gönner kommunizieren. Sogar angesehene Schriftsteller und Wissenschaftler fielen darauf rein.

Und die Zauberkünstler?
Denen allein konnten sie nichts vormachen. Es gab damals den sehr bekannten Zauberer Harry Houdini, der deckte all diese Schwindler auf. Da dachte ich, es wäre vielleicht interessant, in einem Film einen so rationalen und grundehrlichen Zauberer mit einer kleinen amerikanischen Schwindlerin von der Straße zusammenzubringen.

Sie sind aber dann kein Zauberkünstler geworden, sondern Filmregisseur. Was haben die beiden Berufe gemeinsam?
Da gibt es eine starke Verbindung. In beiden Fällen sieht das Publikum nicht, welche Tricks wir anwenden, um eine gefälschte Illusion zu erzeugen, nur damit die Zuschauer sich des Lebens erfreuen können. Im Kino glaubt man für zwei Stunden, dass das, was man auf der Leinwand sieht, real ist. Wir glauben, dass Fred Astaire und Ginger Rogers in „Top Hat“ leicht und glücklich auf einem Boot tanzen und Champagner trinken. Dabei haben die beim Dreh bis tief in die Nacht geschuftet. Sie waren nass geschwitzt, die Schuhe haben gedrückt und der Smoking gezwickt. Fred Astaire hat nur geflucht und Ginger Rogers war stinksauer. Aber dennoch sieht auf der Leinwand alles wie ein himmlisches Vergnügen aus.

Auch der stinkrationale Zauberer, den Colin Firth in „Magic in the Moonlight“ spielt, erliegt einer romantischen Illusion.
Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich ein Romantiker bin. Männer sind überhaupt viel romantischer als Frauen. Das ist durch wissenschaftliche Untersuchungen bewiesen. Ich romantisiere die Frauen in meinen Filmen immer – Diane Keaton, Scarlett Johansson und jetzt die wunderbare Emma Stone. Genauso habe ich New York City oder Paris romantisiert. Ich hatte immer einen sehr romantischen Blick auf die Welt. Aber das hält mich nicht davon ab, ein unbelehrbarer Realist zu sein, wenn es um die menschliche Verfassung geht.

Das heißt, Sie glauben, wie Ihre Hauptfigur, nicht an etwas Übernatürliches, das jenseits unserer Realität existiert?
Nein, es gibt nur das, was wir vor uns sehen. Wir haben nur ein Leben und wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Es gibt keinen Gott, keine Magie, kein tieferen Sinn im Universum. Eines Tages wird die Sonne ausbrennen und das Leben auf der Erde zu Ende sein. Alles, was Shakespeare geschrieben oder Beethoven komponiert hat, wird keine Rolle mehr spielen.

Das klingt finster.
Ja, die Welt ist sinnlos und nicht zu verstehen. Auf der anderen Seite sind meine Handlungen im Alltag alles andere als realistisch motiviert. Ich habe in meinem Leben sehr viele dumme Dinge gemacht, weil ich Situationen nicht realistisch einschätzt und meine Entscheidung danach ausgerichtet habe. Ich komme mir sehr intelligent vor, wenn ich über das große Ganze nachdenke, und ziemlich dumm, wenn ich mich in die Niederungen des Alltags begebe.

"Ich habe keine Ahnung, was die Zuschauer mögen und was nicht"

Woher kommt Ihr offensiver Pessimismus?
Ach, da bin ich mit Nietzsche, Freud und dem Dramatiker Eugene O’Neill in bester Gesellschaft. Sie haben den pessimistischen Gedanken gemeinsam, dass der Mensch mit zu viel Wahrheit nicht leben kann. Nietzsche wie Freud waren der Meinung, dass wir uns selbst betrügen müssen, um unsere Existenz zu ertragen. O’Neill sagte, dass wir Illusionen wie Gott oder den Kommunismus brauchen, um zu überleben. Das stimmt. Die Natur hat uns mit einem Verleugnungsmechanismus ausgestattet. Wenn der nicht richtig funktioniert, kann das Leben sehr traurig werden. Denn dann ist man immer mit der fürchterlichen Wahrheit unserer Existenz konfrontiert.

Sie haben inzwischen mehr als 45 Filme gedreht. Das klingt erst mal nicht nach einer sinnlosen Existenz.
Ich bin tatsächlich sehr glücklich, dass ich mein Leben als Filmemacher verbringen durfte – noch dazu von Anfang an mit der vollen kreativen Kontrolle. Niemand hat mir gesagt, wen ich casten soll. Kein Produzent hat mein Drehbuch vorher zu lesen bekommen. Wenn einer meiner Filme nichts taugte, trug ich ganz alleine die Verantwortung. Einige haben ihr Geld nicht eingespielt, und trotzdem konnte ich das nächste Projekt finanzieren. Überhaupt: Am Morgen zur Arbeit zu gehen, und da ist Scarlett Johansson, Emma Stone oder Colin Firth – alles ungeheuer gut aussehende, charmante, humorvolle und kreative Zeitgenossen. Toll, so seine Zeit zu verbringen – verglichen mit Jobs auf dem Bau oder im Büro!

Gar keine Schattenseiten?
Ich nehme meine eigene Arbeit nicht zu ernst. Ich bin nicht der Meinung, dass ich große Meisterwerke erschaffen habe. Ich habe gute, mittelmäßige und schlechte Filme gemacht. Gemessen an den Möglichkeiten, die mir geboten wurden, hätten wenigstens ein paar großartige dabei sein müssen. Wäre ich weniger faul gewesen, hätte ich sicher eine eindrucksvollere Filmografie.

Noch mal zur Magie: Es wäre doch fein, wenn man mit zauberischen Mitteln den Kassenerfolg eines Films beeinflussen könnte. Haben Sie – mit Ihrer langen Erfahrung – ein Gespür dafür gewonnen?
Nein, das lässt sich überhaupt nicht vorhersehen. Als wir „Midnight in Paris“ gedreht haben, dachten wir: Das ist eine schöne Idee, aber das wird nie und nimmer ein populärer Film. Die meisten Kinogänger sind jung und haben noch nie etwas von der Schriftstellerin Gertude Stein gehört oder einen Roman von Ernest Hemingway gelesen. Und dann war der Film in der ganzen Welt ein Riesenerfolg, von Israel über Japan bis nach Argentinien. Auch der Erfolg von „Blue Jasmine“ hat mich überrascht, weil in den Vereinigten Staaten ernste Themen meist nicht so gut ankommen. Andererseits war ich sicher, „Hollywood Ending“ würde gut laufen. Ich fand ihn wirklich lustig und auch ganz gut gemacht, aber keiner wollte ihn sehen.

Und was folgern Sie daraus?
Dass ich wirklich keine Ahnung habe, warum die Zuschauer ins Kino strömen oder zu Hause bleiben. Und es ist wohl das Beste, sich darüber auch keine Gedanken zu machen.

Das Gespräch führte Martin Schwickert.

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