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Sara Maria Sun in "The Cold Trip" von Bernhard Lang

© Camille Blake

MaerzMusik-Festival 2016: Wundgelaufen

Beim MaerzMusik-Festival liest Sophie Rois aus Jelineks "Winterreise" - und Bernhard Lang macht aus Schuberts Liederzyklus einen Loop.

Franz Schuberts „Winterreise“ ist eine kleine Themeninsel im weiten Klangmeer des MaerzMusik-Festivals gewidmet. Am heutigen Dienstag ist das Original zu erleben, um 19.30 Uhr im Kammermusiksaal, dargeboten vom großen britischen Tenor Ian Bostridge; bereits am Sonntag gingen im Haus der Festspiele zwei zeitgenössische Werke über die Bühne, die vom berühmten Liederzyklus inspiriert wurden.

Elfriede Jelinek bezeichnet ihre „Winterreise“ als Theaterstück. Aber natürlich ist auch dieses literarische Elaborat von 2011 vor allem eine typische Tirade à la Jelinek, und deshalb problemlos vorzutragen auch von einer einzelnen Interpretin. Vor restlos ausverkauftem Parkett liest Sophie Rois ihre Fassung des Textes, in dem es um die Vergänglichkeit geht, um Angst vor dem Alter, aber natürlich auch um Österreichs braune Vergangenheit und Jelineks Sport-Obsessionen. Perfekt passt da Rois’ lapidarer Sound, mit authentischem Akzent trägt sie den vor Formulierungsverdrehungen strotzenden Wortschwall so vor, dass genug Selbstironie der Autorin durchblitzt, um immer wieder befreiende Lacher zu provozieren.

Zwischendurch spielt Sophie Rois von einem Ghettoblaster einige der Schubert’schen Lieder ab, was schön ist, denn im zweiten Teil des Abends, Bernhard Langs „The Cold Trip“, sind nurmehr Spurenelemente der „Winterreise“-Musik übrig. Der Komponist hat Wilhelm Müllers Gedichte ins Englische übertragen und dabei aus der Versform gebracht, die ersten 12 Nummern werden von der Sängerin Sara Maria Sun und dem Aleph Gitarrenquartett vorgetragen, beim zweiten Dutzend treten zu Juliet Frasers Stimme die Klänge des Pianisten Mark Knoop sowie, von einem Laptop aus in die Lautsprecher geschickt, Orgel, Schlagwerk und technische Beats.

Die Melodiebehandlung ist vielgestaltig, vom rhythmischen Sprechen über rockiges Singen bis zum pathetischen Opernton, dazu werden die Klangmöglichkeiten der Begleitinstrumente umfassend durchbuchstabiert. Bernhard Lang aber hat eine Obsession: jeder Halbsatz wird mehrfach wiederholt. Nach zwei Songs hat man das Prinzip verstanden, der Rest ist dann nur noch Folter, penetrantes Durchhalten eines Prinzips, das keine Entwicklung des Materials kennt. Wer meint, so Schubert auf Augenhöhe begegnen zu können, muss schon ein, muss schon ein, muss schon ein, Mega-Ego haben, Mega-Ego haben, Mega-Ego haben.

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