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Ein Bücherstapel - 20 Titel stehen auch auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2017

© Frank Rumenhorst/dpa

Longlist Deutscher Buchpreis: Die Welt ist groß, und Literatur lauert überall

Ob Bücher auch beißen und stechen können? Zur Veröffentlichung der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2017.

So gehört sich das, wenn eine Literaturjury, eine Deutsche-Buchpreis-Jury zumal, wieder einmal eine Auswahl aus der aktuellen Produktion der deutschsprachigen Literatur getroffen hat – da müssen den ausgewählten Büchern ein paar schöne Worte mitgegeben und überhaupt der Literatur ein hohes Lied gesungen werden. „Eine der wichtigsten Fähigkeiten von Literatur ist das Weiten unserer Welt. Das ist in Zeiten, in denen sich die Blickwinkel mehr und mehr zu verengen scheinen, besonders wichtig.“ Mit diesen Worten beginnt die Sprecherin der diesjährigen Buchpreis-Jury, Katja Gasser vom Österreichischen Rundfunk, die aus 20 Titeln bestehende Longlist zu kommentieren, um zu dem Schluss zu kommen: „Allen Büchern gemeinsam ist, dass sie die Jury auf die eine oder andere Art gebissen oder gestochen haben – angerührt im besten Wortsinne. Vielleicht wird der Blick auf die Welt mit den Büchern der Longlist 2017 wieder etwas größer, weiter.“

Viel Biss, viele Stiche, viel Gerühre, so, so, was Literatur nicht alles vermag. Dabei gibt es auf der Longlist 2017 jetzt keine übermäßig großen Überraschungen. Es finden sich die üblichen Verdächtigen, Titel, die erwartet worden waren, so wie Ingo Schulzes im September erscheinender Groß-, Wende- und Schelmenroman „Peter Holtz“ oder Thomas Lehrs „Schlafende Sonne“, der erste Teil eines Roman-Großprojekts des Berliner Schriftstellers über ein Jahrhundert in Deutschland. Und es finden sich, dafür ist die Auswahl schließlich noch groß genug, bevor am 9. Oktober der Buchpreis zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse verliehen wird, ein paar jüngere, noch nicht so profilierte Autoren und Autorinnen mit ihren Büchern. Zum Beispiel Jakob Nolte mit seinem im Frühjahr veröffentlichten, schön durchgeknallten Siebzigerjahre-Terror-und-Werwölfin-Roman „Schreckliche Gewalten“. Oder der 1983 in Wien geborene Österreicher Robert Prosser mit seinem Bosnien-Kriegsroman „Phantome“ (erscheint im September), oder auch die im russischen Wolgograd geborene Theaterautorin und Dramaturgin Sasha Marianna Salzmann mit ihrem Romandebüt „Außer sich“ (ebenfalls im September), für das Salzmann kürzlich schon den Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung erhalten hat.

Auch Sven Regener steht mit "Wiener Straße" auf der Liste

Natürlich fehlt der eine oder die andere, etwa Michael Köhlmeier, Nicol Ljubic, Sabrina Janesch oder Marianna Leky mit ihren neuen Büchern; natürlich muss man kein Prophet sein, um sehen zu können, dass Schulze und Lehr auch auf der am 12. September erscheinenden Shortlist mit sechs Titeln stehen werden. Und überhaupt scheint der Fokus eher auf Familien- und Liebesromanen zu liegen, von Monika Helfers „Schau mich an, wenn ich mit dir rede“ über Birgit Müller-Wielands „Flugschnee“ bis hin zu Mirko Bonnés „Lichter als der Tag“. Letztendlich ist selbst Sven Regeners ebenfalls nominierter neuer Kreuzberg-Roman „Wiener Straße“ eine Art Familiengeschichte. Zeitlich Anfang der achtziger Jahre angesiedelt, lässt Regener darin nicht nur seinen Lieblingshelden Frank Lehmann wieder auftreten, sondern auch Karl Schmidt und Erwin Kächele sind, und die Achtziger-und Neunzigerjahre-Bar Madonna, die hier Café Einfall heißt, fungiert abermals als wichtiger Schauplatz. Neben dem Nolte-Roman ist „Wiener Straße“ vielleicht der exotischste Titel auf dieser ordentlichen, braven Liste. Allerdings ist Regeners Roman das beste Beispiel dafür, wie klein die Welt sein kann, wie wenig darin passiert, wie wenig sich überhaupt das Kreuzberg der achtziger Jahre als Abbild von etwas viel Größerem eignet. Der Blick auf die Welt, der weitet sich mit „Wiener Straße“ leider gar nicht.

Die nominierten Romane (in alphabetischer Reihenfolge):

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