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Dave Grohl von den Foo Fighters beim Lollapalooza-Festival auf der Rennbahn in Hoppegarten am 10.09.2017

© imago/APP-Photo

Lollapalooza, der zweite Tag: Neue Alternativlosigkeit

Zwischen Autos, Schnaps und grünem Kiez: Der zweite Tag des Berliner Lollapalooza-Festivals mit London Grammar, Cro und den Foo Fighters.

So verhält sich das mit dem Pop dieser Zeit, gerade auf einem Franchise-Festival wie Lollapalooza: Widersprüche werden problemlos ausgehalten. Hier der Kommerz, die Sponsoren, die ihre Autos wie bei einem Autosalon vorführen, die ihren Schnaps an einem Ort „für verrückte Ideen, Kreativität und grenzenlose Fantasie“ unter die Leute die bringen wollen, beim sogenannten Lolla Fun Fair. Und dort die politische Alternativkultur, Organisationen wie Amnesty International oder Oxfam, die im „Grünen Kiez“ für Aufklärung sorgen. Hier die Jugendkultur, dort die Eltern mit ihren Kindern, der Pop für alle eben; hier eine Band wie die Foo Fighters, für die das Lollapalooza-Festival in den neunziger Jahren gewissermaßen erfunden wurde, dort ein Rapper wie Cro, der ordentliche, alle Generationen ansprechende Popmusik macht, seine meisten Fans aber unter Teenagern hat.

Lollapalooza ist ein Mainstream-Festival, das das Alternative höchstens noch aus historischen Gründen für sich beansprucht („Be Alternative!“, „Be Different!“), alternativlos gewissermaßen. Aber seinerzeit, als der Jane´s Addiction-Musiker Perry Farrell den Alternative-Zirkus gründete, wurde es schon dafür gegeißelt, jede Form von Pop-Widerständigkeit, von Andersartigkeit, nicht zuletzt die musikalische, kommerziell zu plündern. Corporate Rock still sucks, hieß damals die Antwort der wackeren Betreiber von US-Labels wie SST oder Homestead. Was heutzutage natürlich keinen mehr aufregt. So dürften die Veranstalter nach den Ausgaben auf dem Flughafen Tempelhof und im Treptower Park auch dieses Berliner Lollapalooza-Festival auf der Galopprennbahn in Dahlwitz-Hoppegarten - mal ab von dem Verkehrschaos am ersten Tag - als vollen Erfolg verbuchen.
Es sind alle gekommen, beide Tage waren ausverkauft, 80.000 Menschen. Wer will da noch meckern, dass das Programm für ein Festival dieser Größenordnung so großartig nicht war? Klar, einer der Schwerpunkte war die etablierte Popmusik aus deutscher Produktion, Acts wie die Beatsteaks, Marteria, Annenmaykantereit oder Cro, so gehört sich das, von wegen Franchise. Aber Mumford & Sons, Foo Fighters und The XX als Headliner? Die frischesten davon, The XX, haben sich diesen Status noch nicht erspielt, und die beiden anderen Bands, nun ja.

Cro braucht keine Wellenbrecher

Und dann spielt am frühen Sonntagabend eine Band wie die britischen London Grammar und wirkt im höchstens Maß deplatziert. Ihr zart-elegischer, von der wunderbaren Stimme von Hannah Reid dominierter Düsterpop will sich auf so einem großen Festivalgelände nicht entfalten, zumal während ihres Konzerts die Sonne noch nicht einmal untergegangen ist und der Himmel sich im schönsten Tiefblau zeigt. Cro dagegen, wie er mit weißer Maske, weißem Kapuzenpulli, weißen Sneakers und einer schwarzen Hose auf der Bühne rumturnt, passt mit seinem Schlager-Hip-Hop besser ins Gesamtgefüge, und es hat seine eigene Pracht, wie er sich bei seinem Hit „Unendlichkeit“ auf einem weißen Bühnentisch in die Höhe heben lässt. Allerdings sehen das vergleichsweise wenige Menschen, die Wellenbrecher sind bei Cro überflüssig.

Denn nach ihm folgen die Foo Fighters auf der großen Bühne daneben, Publikumsschnittmengen gibt es da keine. Es sind eben doch mehr Rockfans gekommen, nicht zuletzt wegen der Foo Fighters, Fans, die sich schon mal einen der besseren Plätze in Sichtweite von Dave Grohl und Co sichern wollen. Was nicht unbedingt nötig ist: Grohl mit seinen langen schwarzen Metal-Haaren und der blauen Gitarre sieht man auf mehreren Leinwänden neben der Bühne gut, und hören tut man ihn auch gut. Grohl ist ein Entertainer. Er schreit ein ums andere Mal, warum bloß?, numeriert die vielen Foo-Fighters-Alben durch, diese Woche erscheint das neunte, erzählt von seinen Lollapalooza-Erfahrungen in den USA und dass er am liebsten drei Stunden hier spielen würde, aber nicht dürfe. Was vielleicht des gar nicht so schlechten etwas zuviel wäre. Aber passt schon. Der Foo-Fighters-Rock klingt frisch, gar nicht so sehr nach den Neunzigern, energisch, manchmal ein bisschen sinnlos leerlaufend, und Hits hat die Band im Lauf ihrer Existenz haufenweise produziert. Grohls Foo Fighters, sie sind die ideale Lollapalooza-Band, die Quersumme dieser beiden Tage. Was singen sie in einem ihrer früheren Hits: „It's times like these you learn to live again, it's times like these you give and give again“. Es könnte das Motto dieses Festivals sein, das nächstes Jahr im Olympiapark stattfinden wird, und die Sponsoren wären damit sicher ebenfalls einverstanden.

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