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Röhren und Rappen. Lauryn Hill bei ihrem Berliner Auftritt. Foto: Britta Pedersen/dpa

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Lauryn Hill: Krawall und Remmidemmi

Rock statt Soul: Von Lauryn Hill war zehn Jahre lang fast nichts zu hören. Zusammen mit einer fünfköpfigen Band, zwei DJs und drei Background-Sängern zertrümmerte sie beim Konzert im Berliner Tempodrom ihre Hits – und die der Fugees.

Die gute Nachricht kommt um kurz vor neun: „Miss Lauryn Hill is in the building“, brüllt der Einheizer ins Mikrofon. Das Publikum im ausverkauften Berliner Tempodrom muss sich also nicht auf eine drei- bis vierstündige Wartezeit einstellen, die bei Konzerten der Diva sonst durchaus üblich ist. Dafür gilt es, ein peinvolles Set des DJs zu überstehen, der Hip-Hop-Klassiker ineinander mischt, als würde er eine Neunziger-Party für über 30-Jährige beschallen. Stimmung kommt nicht auf. Und als er für den Übergang zum Band-Intro ausgerechnet den Black-Eyed-Peas- Stampfer „I Got A Feeling“ wählt, verdüstern sich die Mienen weiter.

Doch der größte Schock steht noch bevor: Die fünf Musiker, zwei DJs und drei Background-Sänger knallen einen monstermäßigen Rocksound in die Halle. Als Lauryn Hill die Bühne betritt und in dieses Inferno hinein die ersten Zeilen mehr schreit als singt, wird klar: Das soll „Killing Me Softly“ sein, der Song von Roberta Flack, mit dem die Fugees einen großen Hit hatten. Es wirkt, als wolle die Sängerin das Lied aus dem Weg räumen und gleichzeitig jegliche Hoffnungen auf einen netten Retro-Abend mit abräumen. Der Plan geht auf, auch weil sie ihr großartiges „Everything Is Everything“ im Anschluss gleich mit zertrümmert.

Die Band drückt während der 90-minütigen Show aufs Tempo, was den Songs schlecht bekommt. Die hektische Vortragsweise entzieht ihnen die Lässigkeit und den Groove. Es klingt, als hätte man ihnen das Herz herausgerissen. Lauryn Hill wirkt angespannt, dirigiert ihre Musiker mit zackigen Armbewegungen und beschwert sich mehrfach über Probleme mit dem Monitorsound. Als nach 45 Minuten ein Techniker kommt, um am Mikroständer herumzuschrauben, scheint ihr erstmals aufzufallen, dass ja recht viele Leute gekommen sind, die man vielleicht auch mal begrüßen könnte.

Ihr letzter Auftritt in der Stadt liegt mehr als zehn Jahre zurück, auf ihr zweites Solo-Album nach dem epochalen, mit fünf Grammys dekorierten „The Miseducation of Lauryn Hill“ warten die Fans seit 1998. Ihre MTV-Unplugged-Platte von 2001 war nur eine intime Momentaufnahme, kein vollwertiges Album. Die Reunion der Fugees missglückte. Seither hat die sechsfache Mutter höchstens mal einen Song für einen Soundtrack beigesteuert und ist gelegentlich aufgetreten. Als wolle sie zeigen, dass sie mehr drauf hat als die alten Hits einfach weiter abzuspulen, wirft sich die 36-Jährige mit voller Power in die rockigen Versionen. Ihre Stimme ist ein wenig kratzig, wohl auch vom Ansingen gegen die Band. Der einzige wirkliche Soul-Moment des Konzerts entsteht bei „Nothing Even Matters“, als der Background-Sänger vortritt, um mit ihr das Duett vorzutragen, das sie im Original mit D’Angelo singt. Dass sie immer noch rappen kann, zeigt Hill in „Lost Ones“. Jubel brandet in die ersten Zeilen, doch dann wird auch diese Nummer wieder krawallig – viele Zuschauer verlassen lange vor dem Ende das Tempodrom.

Nach einer Stunde kündigt die Sängerin aus South Orange, New Jersey, eine Geschichtslektion an. Sie blendet zurück zu den Fugees, jenem legendären Trio, das sie zusammen mit Wyclef Jean und Prakazrel „Pras“ Michel Ende der Achtziger gegründet hatte. Mit „The Score“ und seinem schlauen Mix aus Rap, R’n’B, Reggae und Coverversionen war ihnen eines der besten Popalben der neunziger Jahre gelungen. „How Many Mics“, „Fu-Gee-La“, „Ready Or Not“ und noch einmal „Killing Me Softly“ – die erfolgreichsten Titel der Platte – spielt Lauryn Hill im Konzert. Und auch sie werden in der auf Hochtouren laufenden Lärmmaschine zerschreddert. Zum Schluss verspricht Hill wiederzukommen. Es klingt wie eine Drohung.

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