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Die Lederhosenjungs von La Brass Banda

© Gerald von Foris

La Brass Banda: Denk global, fühl regional

Raus aus dem Bayerneck: Mit ihrem neuen Album „Europa“ sind La Brass Banda in den bundesweiten Charts angekommen.

Das Ding läuft. Gerade erst erschienen und jetzt schon auf Platz drei der deutschen Albumcharts. Keine Frage, die Zeit als La Brass Banda ein Geheimtipp waren, ist doppelt und dreifach vorbei. Nicht erst mit dem jetzigen Konzeptalbum „Europa“, das diverse Länder musikalisch assoziiert. Es ging schon los, als die bayerische Blasmusikband im Februar vor den Augen der ganzen Fernseh-Republik beim Vorentscheid für den Eurovision Song Contest in Malmö mit ihrem Powerpop-Song „Nackert“ auf Platz zwei in der Zuschauergunst landete.

Schön ist das und auch ein kleines bisschen bitter. Denn wie es halt im Popgeschäft so geht, wenn fünf Burschen aus dem Chiemgau, die was ganz Besonderes sind, trotzdem oder gerade deswegen Mainstream werden: Sie wechseln das Label. Die ersten, noch ganz vom musikalischen Übermut am eigenen Blasmusikpop-Experiment erfüllten Alben der 2007 gegründeten Truppe „Habe die Ehre“ und „Übersee“ sind beim wackeren Münchner Minilabel Trikont erschienen. Ebenso das letztjährige, ganz von der umwerfenden Bühnenpräsenz der Band in der mit 10 000 Menschen gefüllten Münchner Olympiahalle lebende Live-Album. Doch jetzt ist Schluss mit Indie, Sony Music hat die Band unter Vertrag genommen und damit sowohl guten Geschmack wie Geschäftssinn bewiesen.

Eine ebenso coole wie urige Tanzmusik, die nach der ganzen Welt tönt, aber aus Truchtlaching an der Alz kommt, passt einfach in die Zeit. Denk global, fühl regional, sei urban, wohn lokal – das isses! Im Dorfidyll wohnt Stefan Dettl, der Trompeter, Sänger, Texter von La Brass Banda. Da wirkt er seit drei Jahren als Herausgeber des ein Bayerntum von unten feiernden Magazins „Muh“. Da hat er sein Studio. Da haben er, Posaunist Manuel Winbeck, Tubist Andreas Hofmeir, Schlagzeuger Manuel da Coll und Bassist Oliver Wrage die 13 Songs des Albums eingespielt.

Stefan Dettls Vorbild ist Chet Baker

Bis auf den in der Berliner Clubmusikszene musikalisch sozialisierten Wrage, der die dieses Jahr wieder fleißig tourende Band erst mal verlässt, um sich um seinen kürzlich geborenen Sohn zu kümmern, haben alle vier ihr Instrument studiert und vorher sinfonische Musik oder Jazz gespielt. Hofmeir ist Tuba-Professor am Mozarteum in Salzburg. Entsprechend virtuoses Musikantentum ist auf „Europa“ zu hören, die Lederhosenjungs sind stupende Bläser. Beim rasenden Tuba-Intro des Songs „Frankreich“ legt man einfach nur staunend die Ohren an. Musikalisch verrührt La Brass Banda wie eh und je Technobeats mit Volksmusik, Balkanbrass, Ska, Reggae, Latino-Synkopen wie in der abgewandelten Salsa-Nummer „Jacqueline“ oder bayerischen Funk wie in „Western“. Der Gegenentwurf zu den atemlos treibenden Rhythmen, die – wie beim Dancetrack „Holland“ – eins zu eins in Bauch und Beine fahren, ist der lyrische Bläsersatz des Instrumentals „Russland“. Da schwingt sich Dettls Trompete melancholisch in die Lüfte, als sei sie die von Miles Davis in seiner berühmten Bearbeitung von Rodrigos „Concerto de Aranjuez“. Dettl selbst nennt als Vorbild für seinen monotonen Gesangsstil gern einen anderen Jazz-Trompeter, nämlich Chet Baker. Dessen wunderwehe Weisen waren allerdings deutlich leichter zu verstehen als Dettls kraftvolles Bayrisch. Schadet aber nix. La Brass Banda – das ist auch auf „Europa“ die Macht des Blechs, nicht die des Wortes.

La Brass Banda in Berlin: 11.8. Flughafen Tempelhof, 17 Uhr (Support für Die Ärzte), 8.11. Astra, 20 Uhr

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