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KUNSTHANDEL WOLFGANG WERNER: Jean Tinguely

Wie eine Mischung aus Kasimir Malewitsch und Hans Arps Holz-Reliefs muten sie an, die weißen Metallformen auf schwarzem Grund. Doch wenn „Nepomuk“ vom rückseitigen Motor in Gang gesetzt wird, sind wir unverkennbar bei Jean Tinguely.

Wie eine Mischung aus Kasimir Malewitsch und Hans Arps Holz-Reliefs muten sie an, die weißen Metallformen auf schwarzem Grund. Doch wenn „Nepomuk“ vom rückseitigen Motor in Gang gesetzt wird, sind wir unverkennbar bei Jean Tinguely. Die Bewegung war sein Element, am liebsten die schnelle und schrille. Mit seinen Metamaschinen hat der bekennende Anarchist, Formel-1-Fan und passionierte Auto-Sammler den Futurismus revolutioniert und Moholy-Nagys Ästhetik in den Alltag transformiert.

Die Geschwindigkeit als Kunst- und Lebensantrieb hielt mit dem 1925 geborenen Schweizer Einzug in die Straßen und in den Nouveau Réalisme und mit den sich selbst zerstörenden Großskulpturen auch in die distinguierte Museumswelt der sechziger Jahre. Bewegung erzeugt Klang und Resonanz. Das fand schon der 14-Jährige bei seinen ersten metamechanischen Experimenten im Berner Wald heraus. So rattert, rumpelt und quietscht es auch in den gediegenen Räumen des Kunsthandels Werner, der den Erfinder von Meta-Mechanik, Zeichen- und Malmaschinen anlässlich des 20. Todestages würdigt. Erstaunlicherweise ist es die erste Einzelausstellung des Neodadaisten in Berlin. Umso erfreulicher die Auswahl von sieben seiner absurden Maschinenimitationen (120 000 bis 650 000 Euro), ergänzt von Collagen, Zeichnungen zur Ballmaschine „Rotozaza“, einem hinreißenden „Brief“ an die Redaktion der Zeitschrift DU und der Entwurfsskizze für ein nicht realisiertes „Unterirdisches vollmotorisiertes Bauarbeiter-Denkmal“.

Schönstes Beispiel für die Entmaterialisierungen des fröhlichen Kunstzertrümmerers ist „Fontaine (CNAC No. 1)“ von 1962. Ein typischer Wolpertinger des Maschinenzeitalters, der aus farbigen Schrottteilen, Rädern, Riemen und dem verrosteten Ventilator besteht. Das wirkt heute wie ein archaisches Memento mori. Der Elektromotor surrt, der Ventilator ventiliert. Allerdings bleibt die ganze „Fontaine (CNAC No. 1)“ dem potenziellen Käufer vorbehalten. Der kann den integrierten Gartenschlauch anschließen, der den Brunnen zur spektakulären „Wassermaschine“ macht. Darauf verzichtet Wolfgang Werner in seinen Galerieräumen.

Dass die Kunst – bei allem Spaß, der den kinetischen Plastiken innewohnt – für den Grenzgänger zwischen Bildhauerei, Aktions- und Klangkunst ein durchaus ernstes Anliegen war, zeigen „Matrac II“, eine motorenbetriebene Wippe aus Stahl und Holz sowie die „Variation IV“, deren solide Eisenzahnradfragmente an einen Drachen erinnern. Tinguely hat die um 1966 geschweißten Skulpturen schwarz übermalt, um den Blick – weg vom kuriosen Material–- auf ihren plastischen Wert zu lenken.

Abgerundet wird die Ausstellung von drei Malmaschinenbildern (je 3000 Euro), die vom Dadaisten Tristan Tzara als Vollendung des lang ersehnten „Endes der Malerei“ bejubelt wurden und mit denen Jean Tinguely das Kunstwerk selbst zum Schöpfer erhob. „Für eine schöne und absolute Wirklichkeit“, wie es in seinem Manifest „Für Statik“ aus dem Jahr 1959 heißt. Michaela Nolte

Kunsthandel Wolfgang Werner, Fasanenstr. 72, bis 2.7., Mo 12-18.30 Uhr, Di-Fr 10-18.30 Uhr, Sa 11-15 Uhr

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