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Ursula Karusseit als Violet und Felix von Manteuffel als Beverly.

© Katarina Ivanisevic

Ku'damm-Bühnen: Eine Familie": Im Clinch mit dem Muttermonster

„Eine Familie“ war ein großer Erfolg am Broadway. Jetzt kommt das Stück über den Niedergang eines Clans nach Berlin ins Theater am Kurfürstendamm.

Von Sandra Luzina

Anfangs sieht es so aus, als hätten die Westons sich wie viele ältere Ehepaare in ihrem Unglück eingerichtet. „Meine Frau ist tablettensüchtig und ich trinke – das ist unsere Übereinkunft“, eröffnet Beverly Weston freimütig der Indianerin Johnna, die er als Pflegerin für seine Gattin Violet einstellt. Felix von Manteuffel, der den verkrachten Dichter und Säufer Beverly in „Eine Familie“ spielt, verbindet die müde Resignation des Zynikers mit der Lust am Dozieren. „Das Leben ist sehr lang.“ Mit diesem T. S.-Eliot-Zitat kündigt er im Grunde sein Verschwinden an.

Die bitterböse Komödie „Eine Familie“ (im Original: „August: Osage County“) von Tracy Letts war ein Hit am Broadway und stand schon in mehreren deutschsprachigen Theatern auf dem Spielplan. Nun hat ihn Santinis Production in Berlin erstmals auf die Bühne gebracht, im Theater am Kurfürstendamm. Letts hat die amerikanische Familientragödie fortgeschrieben und zugespitzt. Anleihen bei Tennessee Williams und Eugene O’Neill sind zu erkennen, aber auch der Einfluss von Sitcoms ist zu spüren. Den Familienhorror verpackt er in geschliffene Dialoge mit bissigen Pointen, die sich nicht um politische Korrektheit scheren, aber manchmal zu sehr auf den Schockeffekt schielen. Zudem bietet er einen ganzen Leidens- und Sünden-Katalog auf.

Der israelische Regisseur Ilan Ronen, der das Habimah National Theatre in Tel Aviv leitet, hat das Stück mit einem prominenten deutschen Ensemble inszeniert. Bei aller Lust an der komödiantischen Überzeichnung wird doch sein feines psychologisches Gespür offenbar. Und die famosen Darsteller stürzen sich mit Verve in die Psychoschlacht, verraten ihre Figuren aber nie an die Karikatur.

Den Niedergang des Weston-Clans deutet schon das Bühnenbild an: ein abgewracktes Haus mit klobigen Möbeln, das ein Spiel auf mehreren Ebenen erlaubt. Ursula Karusseit schleicht als Violet wie ein Gespenst im Pyjama im oberen Schlafzimmer herum. Nach dem Abgang des Patriarchen – der sich im See ertränkt hat, wie der Sheriff später berichtet – kommt die ganze Familie zusammen: die drei Töchter der Westons samt Lebensgefährten und Violets Schwester Matti Fae. Die an Mundhöhlenkrebs erkrankte Violet läuft zur Hochform auf. Sie hält sich nicht lange mir Vorwürfen auf, sondern wetzt die Messer.

Karusseit bellt ihre verbalen Attacken nur so heraus, um im nächsten Moment als lallendes Psychowrack durch das schäbige Wohnzimmer zu wanken. Annette Frier als älteste Tochter Barbara liegt bald im Clinch mit dem Muttermonster – und liefert sich zudem einen amüsanten Schlagabtausch mit Jan Messutat als ihrem Noch-Ehemann Bill. Der liefert die treffende Diagnose: „Wir sind alle Produkte einer narzisstischen Gesellschaft.“ Eva Löbau gibt der jüngsten Tochter Ivy etwas Verdrucktes und zugleich Trotziges. Friederike Kempter legt ihre Karen als plapperndes Blondchen an.

Die familiären Schlachten sind zum Schreien komisch, der Schluss aber bitter: Von allen verlassen, flüchtet Violet in die Arme der Pflegerin, die sie wie ein verängstigtes Kind streichelt. So bleibt nur der Trost von Fremden. Sandra Luzina

bis 13. Februar und 14. April bis 3. Mai

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