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Mord in der Küche. „Zu viele Köche“ heißt der fünfe Roman von Rex Stout, den er über seinen Ermittler Nero Wolfe geschrieben hat.

© Jens Büttner/picture-alliance/dpa

Krimis von Rex Stout: Wenn es um die Wurst geht

Neu übersetzt: Rex Stouts Romane um den dicken Detektiv Nero Wolfe. Ein Exzentriker? Nein, ein Zwangsneurotiker.

Eine Liste von illustren Namen, die sich – so scherzt ein Einheimischer – wie das „Footballteam von Notre Dame“ liest: „Mondor – Coyne – Keith – Blanc – Servan – Berin – Vukcis – Vallenko – Rossi“. Es sind aber keine Sportler, sondern Spitzenköche. Sie sind aus San Remo, Kalkutta, Paris oder Quebec ins Kanawha Spa gekommen, ein Thermalbad in West Virginia. Alle fünf Jahre treffen sich „Les Quinze Maîtres“, die fünfzehn Meister, zum olympischen Wettkochen und Wettschmausen, ein paar sind in der Zwischenzeit gestorben. Jedes Mal laden sich die Cuisiniers einen Gast ein, diesmal ist es einer, der lieber isst als zu kochen: Nero Wolfe, der übergewichtige Detektiv aus New York, auch „Schildkröte in Aspik“ genannt. Schon vor dem Dessert wird die erste Leiche serviert.

Eine verflixte Schweinerei. „Da war Blut, unzweifelhaft, wenn auch nicht viel“, meldet Archie Goodwin. Wie gewohnt fungiert der Sidekick als Wolfes „Sekretär, Leibwächter, Büroleiter und Sündenbock“, sowie darüber hinaus, ähnlich wie Dr. Watson bei Sherlock Holmes, als Erzähler von dessen Abenteuern. Das Messer steckt noch immer links von der Mitte im Rücken des Opfers. Nur das Heft ragt heraus. Die Identität des Opfers ist wenig überraschend. Es handelt sich um Philipp Laszio, den seine Kollegen für einen Hochstapler halten. Vermutlich brachte es der Aufsteiger nur deshalb zum Chefkoch des Hotel Churchill in New York mit einem immensen Salär von 60 000 Dollar – wir befinden uns in der Zeit kurz nach der Weltwirtschaftskrise –, weil er das Rezept für saucisse minuit gestohlen hat, die besten Würste der Welt. Überraschender ist die Todesart. Laszio fürchtete, vergiftet zu werden. Als er die crème fraîche für den Wettbewerb anrührte, klagte er, der Zucker schmecke nach Arsen. Eine Vorahnung, die Wolfe bloß ein Achselzucken wert war. „Arsen ist geschmacklos.“

„Zu viele Köche“, im amerikanischen Original 1938 erschienen, ist der fünfte Roman, den Rex Stout über seinen formatsprengenden Ermittler geschrieben hat. Ums Essen geht es immer bei Nero Wolfe, normalerweise lässt er sich in seinem Haus in der 35. Straße in New York von seinem Schweizer Angestellten Fritz Brenner bekochen. Um sich zu beruhigen, trinkt er Bier. Der Schnüffler ist auch ein Schmatzer, ihn einen Exzentriker zu nennen wäre untertrieben. Er ist ein Zwangsneurotiker, dessen Lunch stets pünktlich um 1 Uhr 15 bereitstehen muss und der die geheiligten Vormittagsstunden von 9 und 11 auf dem Dach bei seinen Orchideen verbringt. Wolfe hasst Dinge in Bewegung, dass er zum Gipfeltreffen der Küche mit dem Zug anreisen muss, ist sein Albtraum: „Eine Lokomotive hat 2309 bewegliche Teile!“

Stout war auch ein politischer Autor

Rex Stout, der mit der Gründung eines Schulsparkassensystems reich geworden war, veröffentliche zwischen 1934 und 1975 33 Nero-Wolfe-Romane. Der erste kam 1938 mit dem Titel „Ein dicker Mann trinkt Bier“ in einer deutscher Ausgabe heraus. Aber zum Klassiker hat es Stout hierzulande nicht gebracht, auch weil der Schriftsteller sich wegen seiner „Germanophobie“ während und nach der NS-Herrschaft zeitweilig gegen Übersetzungen sträubte. Mit den Neuübersetzungen seiner Werke bei Klett-Cotta, liebevoll ausgestattet und mit Nachworten ergänzt, könnte Stout endlich die Achtung erlangen, die ihm zusteht. Es ist immer ein Genuss, ihn zu lesen.

„Ich locke Kriminelle in die Falle, um sie ins Gefängnis zu bringen oder zu töten. Gegen Bezahlung“, sagt Nero Wolfe. In seiner Figur mischt sich die Eitelkeit von Agatha Christies Gentlemandetektiv Hercule Poirot mit dem Zynismus von Chandlers Hard-Boiled-Schnüffler Philip Marlowe. Wolfe entstammt der Streamline-Moderne, eine Ära, die die Neuübersetzer mit Wendungen wie jemanden „wie Jupiterlampen anhimmeln“ heraufbeschwören. Stout, das zeigt sich nun, war auch ein politischer Autor. „Es klingelte an der Tür“, der erste Band der Neuedition, handelt von einem Enthüllungsbuch, das der mephistophelische FBI-Direktor J. Edgar Hoover mit allen Mitteln bekämpft. „Zu viele Köche“ spielt in den zutiefst rassistischen Südstaaten, wo Sheriffs Schwarze „Neger“ nennen und auch so behandeln.

Rex Stout:  Zu viele Köche. Roman. Aus dem Amerikanischen von Gunter Blank. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2017. 340 Seiten, 15 €.

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